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Selbststeuerung im Mittelstand: Wie verändern sich die Rollen des Chefs und der Mitarbeiter?

Im Gespräch mit Stephan Heiler /
Inhaber und Geschäftsführer Alois Heiler GmbH

“Sobald eine Firma einen gewissen Grad an Komplexität überschreitet, ist sie langfristig nicht überlebensfähig, wenn sie extrem enge Handlungsspielräume für ihre Mitarbeiter festzurrt und versucht, mit klugen Führungskräften den Markt zu meistern, Kunden zu begeistern und Zukunftstrends zu erkennen. Ich halte daher klassische Management-Methoden für uns nicht für passend.”

So Stephan Heiler zu seinen Motiven für den Veränderungsprozess. Als Geschäftsführer eines mittelständischen Handwerksbetriebs nutzte er den Generationenwechsel, um seine Firma zukunftsrobust aufzustellen.

Erstmals veröffentlicht 29.02.2016
Lesezeit ~ 2 min (inkl. Video: 29 min)

Foto: Stephan Heiler. Alois Heiler GmbH
EnjoyWork . Tilo Hensel & madiko

Die Alois Heiler GmbH ist ein mittelständischer Handwerksbetrieb aus Baden-Württemberg. Die zirka siebzig Mitarbeiter gestalten Bad-, Wohn- und Arbeitswelten mit Glas. In Kooperation mit beispielsweise Architekten, Bauherren und Installateuren fertigen sie individuelles Interieur und passen es durch millimetergenaues Aufmaß und filigrane Montage in jedes Objekt ein. Dafür braucht es nicht nur ein hohes handwerkliches Geschick, sondern auch Entscheidungsfreude, unternehmerisches Denken und Leistungsbereitschaft in allen Bereichen des Familienunternehmens.

Die Herausforderungen
eines Pioniers

Als Alois Heiler 1984 begann, hochwertige rahmenlose Duschen direkt an Endkunden zu vertreiben, war er Pionier auf seinem Gebiet. In Kombination aus harter Arbeit und Disziplin auf der einen sowie seinem Sinn für das Feine auf der anderen Seite baute er einen gut florierenden, mittelständischen Handwerksbetrieb auf.

Anfangs verkaufte der damals 33-Jährige fertige Systeme. Um flexibler agieren zu können, übernahm er bald die Produktion in Eigenregie, kaufte Glas und Beschläge zu und bearbeitete diese im heimischen Keller.

Doch die Kunden kamen nicht von selbst. Um auf sich aufmerksam zu machen, verteilte er Infoblätter in Neubaugebieten. Er konstruierte ein „Duschmobil“ und zog damit über die Lande.

Ich erinnere mich, wie ich bei minus 20°C und einem halben Meter Schnee auf dem Leonberger Pferdemarkt stand.

Alois Heiler

Alois Heiler GmbH

zu den Anfängen seiner Selbständigkeit.

Die Mühen lohnten sich: Das Auftragsbuch füllte sich schnell, sodass er sich schon im dritten Jahr seiner Selbständigkeit nicht mehr als Einzelkämpfer durchboxen musste.

Damals stellte ich meine ersten Mitarbeiter ein. Beide sind übrigens heute noch bei uns.

Alois Heiler

Alois Heiler GmbH

erzählt er nicht ohne Stolz.

Außerdem zog er um: aus dem Keller seines Hauses in eine angemietete 150 m² große Gewerbefläche.

Unabhängigkeit
als oberste Prämisse

Es war Alois Heiler immer wichtig, aus eigener Kraft zu wachsen und unabhängig von Banken zu bleiben. So erweiterte der Familienbetrieb im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte sein Badwelt-Portfolio um den Bereich Wohn- und Arbeitswelt. Jetzt bieten die Baden-Württemberger maßgeschneiderte Glastüren zum Schieben, Drehen, Pendeln sowie Raumteiler, Wände, Treppen, Balustraden, Decken, Böden und Arbeitsplatten aus Glas für individuelle Inneneinrichtungen an.

Generationenwechsel

2011 übernahm Stephan Heiler, Alois’ Sohn, die Geschäftsführung von HEILER. Auch er ist Vorreiter. In einem grundlegenden Veränderungsprozess baute er Schritt für Schritt gewachsene Hierarchien ab.

Stephan Heiler: Portrait

Ich spüre eine deutliche Veränderung in meiner Rolle als Chef. Als Mensch bin ich locker geblieben. Ich habe mich jedoch professionalisiert. Heute beherrsche ich neben handwerklichem Gespür für Trends in Sachen Glas-Interieur Methoden und Führungsstile, Mitarbeiter zu Selbstorganisation zu ermächtigen. Ich weiß mehr über sinnvolles Wirtschaften.

Vor allem freue ich mich, dass die Mehrzahl der Mitarbeiter bei HEILER nun auf Augenhöhe mit zum Beispiel Bauherren, Architekten und Installateuren Vorhaben umsetzen können — ohne von mir eine Freigabe einholen zu müssen. Kunden und Partner merken, da sind Leute, die wissen wovon sie reden.

Gleichzeitig kann ich mich darauf verlassen, dass sie im Sinne von HEILER unternehmerisch denken.

Stephan Heiler

Alois Heiler GmbH

[ Foto: EnjoyWork . Tilo Hensel & madiko ]

Stephan nutzte den Generationenwechsel, um die Firma von einem patriarchalischen Führungsstil hin zu Selbstorganisation und Mitbestimmung weiterzuentwickeln. Heute sind alle Mitarbeiter eingeladen, den Handwerksbetrieb gemeinsam aktiv zu gestalten und daran zu wachsen.

Will ich den Markt meistern, Kunden begeistern und Zukunftstrends erkennen, halte ich für uns klassische Management-Methoden für nicht passend. Ich habe mich viele Jahre mit klassischem Management beschäftigt und wusste, ich muss da was Besseres finden.

Die ersten Alternativen, die mir begegneten, entpuppten sich dann leider wieder als klassische BWL in anderem Gewand. Wo man erst auf den dritten Blick erkennt, irgendwie ist es doch das Gleiche.

Seit gut acht Jahren verfolge ich jedoch Ansätze, von denen ich absolut überzeugt bin, dass sie nicht nur zeitgemäß sind – sondern angelegt auf die Zukunft und ausgerichtet auf die Menschen an sich.

Stephan Heiler

Alois Heiler GmbH

Vom Treiber zum Getriebenen –
Hohes Engagement und Organisationsintelligenz als Lohn

Im Rahmen vom EnjoyWorkCamp 2015 reflektierten Stephan und ich darüber, wie sich seine Rolle als Chef der mittelständischen Glas-Manufaktur seither verändert hat. Wir sprachen über die Anforderungen, denen er sich gegenüber Mitarbeitern und Markt stellt. Eigenverantwortlichkeit, Autonomie und Mitarbeiterkompetenzen sind für ihn nicht nur Herzensangelegenheit. Sie folgen logisch aus seinem unternehmerischen Grundverständnis. In der Dokumentation spricht Stephan über die Herausforderungen und wie sie sie meisterten. Er formuliert das “Invest” und auch die Ergebnisse des Change-Prozesses.

Gebhard Borck – der Stephan Heiler und die Mitarbeiter der Alois Heiler GmbH in diesem Veränderungsprozess von Anfang an begleitet – ergänzt die aus seiner Sicht interessanten Aspekte zur veränderten Rolle eines Geschäftsführers. Unter anderem geht er darauf ein, wie sich der Führungsstil in einem sich selbst organisierenden Unternehmen wandelt. Und dass es bei Unternehmensdemokratie nicht darauf ankommt, ob die Mitarbeiter unternehmerisch denken können – sondern ob sie diese Form ihrer Intelligenz in die Firma einbringen wollen.

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