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EnjoyWork braucht das Arbeiten an den Handlungskompetenzen

Erfahrungsbericht und Einsichten in das betterplace lab von und mit Dr. Joana Breidenbach

veröffentlicht: 26.08.2020 · Franziska Köppe | madiko

Wie wollen wir leben und arbeiten? Welche Alternativen zur konventionellen Fremdsteuerung von Organisationen gibt es? Nur, was wir uns – und sei es noch so vage – vorstellen können, hat Potenzial, Realität zu werden. Eine Frage, die dabei stets auftaucht, ist: Wie gelingt der Systemwechsel? Welche Kompetenzen braucht es dafür?

Im Rahmen des “BrainFood” ließ uns Joana einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte des Social Innovators betterplace lab werfen. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, nahm sie uns mit in die Höhen und Tiefen der Transformation. Sie ließ uns teilhaben an ihren Einsichten und Erkenntnissen. Sie war bereit, offen auf Fragen zu antworten.

In meiner Rückblende fasse ich die Stationen der betterplace lab gGmbH zur kompetenz-basierten Netzwerk-Organisation zusammen. Dabei greife mir aus der Fülle zwei Aspekte heraus, die mir besonders wichtig erscheinen: das Prinzip der Freiwilligkeit und die Balance der äußeren und inneren Sicherheit. Es ist eine Langstrecke. Du bist gewarnt ;-)

Lesezeit: ~30 min + 1:07’14’‘ Video (Sketchnotes und Quick-Links für die Schnell- und Querleser sowohl im Text als auch fürs Video)

Foto: BrainFood im PARITÄTischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg e.V.
madiko / Foto: Arx0nt

Am Freitag, den 24.07.2020 war Dr. Joana Breidenbach zu Gast im PARITÄTischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg e.V. Die Impulse zur Mittagspause heißen “BrainFood” (Hirnfutter). Zu Pausenbrot und Salat erhalten wir in dieser Online-Vortragsreihe Denkanstöße. Themen sind: Zukunftsvisionen, Innovationen, Partizipation, Eigenverantwortung, Digitalisierung, soziale Arbeit, Grundrechte usw.

Mit dem Thema “New Work needs inner Work” gab Joana den Auftakt. Ich hatte während des Vortrags und der anschließenden Fragenrunde mitgetwittert. Nun nehme ich mir noch einmal Zeit und Ruhe fürs Bloggen. Denn Joana hat ein rasantes Redetempo bei vielen interessanten Impulsen. Da lohnt ein zweites “Verdauen” ;-)

Digital-sozialer Think- und Do-Tank betterplace lab

Die Geschichte der betterplace lab gGmbH beginnt mit der Geschichte von betterplace, Deutschlands größter Spendenplattform. Und diese wiederum beginnt 2006 mit der Weltreise der Familie Breidenbach:

Familie Breidenbach auf Weltreise / vor einem Tempel. Bild: copy Joana Breidenbach & Familie

Familie Breidenbach auf Weltreise / vor einem Tempel
[ 2006 Joana Breidenbach & Familie ]

Wie alles begann: betterplace

Auf ihrer fünf-monatigen Weltreise wurde Joana und Stephan klar, dass kleine, lokale Hilfsprojekte mehr Aufmerksamkeit bekommen müssen. Gemeinsam mit ihren beiden Kindern Lilian und Vico besuchten sie Graswurzel-Initiativen. Diese Aktionsgruppen versuchten, mit viel Eigeninitiative ihre Lebenswelt zu verbessern – mussten dabei jedoch ohne große Budgets und Ressourcen auskommen.

Oft fehlten ihnen selbst die einfachsten Mittel oder Expertise – für eine kostengünstige, ökologisch angepasste Bewässerungstechnologie oder eine einfache, aber wirksame Medizin gegen Flussblindheit. Da sie unterhalb des “Radars” der traditionellen Entwicklungshilfe liefen, hatten sie zu deren Fördermitteln keinen Zugang – wir nennen es heute den “Long Tail of Charity”.

gut.org gemeinnützige Aktiengesellschaft

Nach ihrer Rückkehr konzipierten die Breidenbachs mit einem kleinen Team um Samir Sekkat, Nunni Haferbusch und Hannelore Knott eine Plattform. Das Ziel: Menschen die Chance geben, sich und ihre Arbeit einer internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren. Gleichzeitig war ihnen wichtig anzuregen, dass diese auf Menschen treffen, die sehen wollen, welchen konkreten Unterschied ihre Unterstützung macht. Diese Menschen wollten sie verbinden: eins zu eins, transparent und weltweit.

Parallel und zeitgleich hatten sich Till Behnke und Line Hadsbjerg mit Philipp Baier, Moritz Eckert, Georg Friedrich, Axel Kuzmik und Bodo Sieber zusammengetan. Ihre zentrale Frage: Wie kann man das Internet nutzen, um das Leben bedürftiger Menschen weltweit zu verbessern? Das Gründer-Team arbeitete an einer Plattform, die sich als Sozialunternehmen über Firmen-Kooperationen finanziert, also von den Spenden an die Hilfsprojekte nichts für die eigene Organisation abzweigt.

Nach wenigen Treffen der Breidenbach- mit der Behnke-Gruppe war klar, dass beide nicht nur die gleichen Ziele verfolgten, sondern auch ähnliche Wege eingeschlagen hatten. Nichts lag näher, als sich unter einem gemeinsamen Namen — betterplace — zusammenzutun, um die Wirkungskraft der gemeinsamen Vision zu vergrößern.

gut.org gemeinnützige Aktiengesellschaft

Im Gespräch mit Corinna Visser von Berlin Valley geht Till darauf ein, was seine Motivation ist, als Sozialunternehmer etwas Großes zu schaffen:

Ich habe ein tiefes Gerechtigkeitsempfinden. Ich bin überzeugt von unserem Sozialstaat. Aber ich finde, dass er schlecht organisiert ist. Dabei ist betterplace.org eher meins als change.org. Du kannst entweder die Politik beeinflussen, um von oben die Dinge zu verbessern, oder du hilfst jedem Kleinen, der ein soziales Projekt macht. Das ist für mich der viel direktere Weg. Die Welt sollte aber sowohl über Einflussnahme in der Politik verändert werden als auch übers Einfach-in-die-Hand-nehmen-und-machen. […]

Mit Betterplace helfen wir kleinen und großen Projekten, an Geld und Mitstreiter zu kommen. Wir arbeiten natürlich auf einer Metaebene. Wir sitzen vor dem Computer und bauen eine Plattform. Aber die ermöglicht es, dass tausende Projekte umgesetzt werden. Das ist ein gutes Gefühl.

Till Behnke

Aufsichtsrat Betterplace

… im Gespräch mit Corinna Visser von Berlin Valley über seine Motivation, als Sozialunternehmer etwas Großes zu schaffen

Mittlerweile waren Jörg Rheinboldt und Stephan Schwahlen dazugekommen. Die beiden trugen durch ihre ins Team eingebrachten Erfahrungen dazu bei, dass der Spendenmarkt größer, effizienter und effektiver wurde.

Sie wollten unser „Weltverbesserungsunternehmen“ auch zu einem nachhaltigen, skalierbaren und gemeinnützigen Unternehmen entwickeln.

gut.org gemeinnützige Aktiengesellschaft

Und so ging am 9. November 2007 die Plattform betterplace.org online. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Es waren die Anfänge meines Engagements für Nachhaltige Entwicklung in der Region Stuttgart. Auch wir nutzten die Plattform – als Quelle für Inspiration für eigene Projekte mit Social Impact und empfahlen betterplace als Spendenplattform für die Initiativen, für die wir tätig waren.

betterplace: Screenshot der ersten Version der Website 2007. Bild: copy gut.org gemeinnützige Aktiengesellschaft

betterplace: Screenshot der ersten Version der Website 2007
[ 2007 gut.org gemeinnützige Aktiengesellschaft ]

Wie es dann mit dem betterplace.org weiterging und -geht, steht dort in der Firmengeschichte. Heute arbeiten 70 Personen und 2 Hunde für die gemeinnützige Aktiengesellschaft gut.org. In den vergangenen 12 Jahren wurden 105.654.029 Euro über die Plattform an Spenden für 35.566 Projekte, die Gutes tun, in 185 Ländern gesammelt. 120 Unternehmenspartner engagieren sich via betterplace.org.

Hatte ich zuvor Digitalisierung nur aus einer wissenschaftlichen Perspektive betrachtet, zog ich plötzlich ein Unternehmen […] hoch. Dabei entdeckte ich an mir völlig neue Seiten: Ich konnte nicht nur Ideen entwickeln, sondern diese auch effektiv umsetzen. Es berauscht mich bis heute, zu erfahren, wie relativ einfach es ist, Neues in die Welt zu setzen, das dann von vielen Menschen genutzt wird. Und dass es möglich ist, intensive Arbeit mit einem intensiven Privatleben zu verbinden. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal so glücklich und erfüllt sein würde.

Joana Breidenbach

betterplace Lab

Quelle: Joana Breidenbach 2017 im Gespräch mit Gabriele Fischer, brand eins, zur Frage, was das Überraschendste sei, das ihr (bis heute) passiert ist

Damit ist die Brücke vom betterplace geschlagen zur Schwester – dem betterplace lab:

Vorreiter der digitalen Veränderung im sozialen Sektor: betterplace lab

betterplace lab: Team. Bild: cc betterplace lab gGmbH // Foto: Andi Weiland

betterplace lab: Team
[ 2010 betterplace lab gGmbH // Foto: Andi Weiland ]

Wir wollen die Digitalisierung sozial gestalten und für das Gemeinwohl nutzbar machen. Dazu forschen und experimentieren wir in innovativen Projekten. Wir sind Brückenbauer zwischen Sektoren und brechen Silos auf, im Kopf, in Organisationen und in unserer Gesellschaft. Denn es geht nicht nur um Tools, sondern um die sozialen Potentiale der digitalen Transformation: Wie werden wir in Zukunft miteinander arbeiten? Welche Werte befördert der digitale Wandel – im Einzelnen und in Kollektiven? Wie kann die gerechte und nachhaltige Welt von morgen aussehen? Die Erkenntnisse verpacken wir in Studien, Workshops, Veranstaltungen oder inspirierende Geschichten.

Nach dieser Einordnung in den Gesamtzusammenhang schalte ich nun direkt zum #BrainFood:

BrainFood:
“New Work needs Inner Work”

Meine wichtigsten Erkenntnisse aus diesem wunderbaren Vortrag fasse ich unten zusammen. Hier zunächst ein grober Überblick mit Sprunglinks in den Vortrag auf YouTube (dazu bitte die einzelnen Teilabschnitte aufklappen):

[ 0:00:00 ] Intro & Willkommen
[ 0:05:27 ] Vortrag Joana Breidenbach

[ 05:27 ] Ausblick von Joana Breidenbach auf das Kommende
[ 06:30 ] Vortrag Joana Breidenbach

[ 0:31:09 ] Danke und zurück an Theresa // Breakout Session

[ 31:09 ] Danke und zurück an Theresa // Breakout Session

[ 0:31:33 ] Frag-mich-alles-Session

[ 31:33 ] Fragen und Antworten

[ 1:05:52 ] Dankeschön an Joana & Verabschiedung

Allein die Inhaltsübersicht zeigt die Fülle an Inspiration und den immensen Erfahrungsschatz, die/den uns Joana in der kurzweiligen Stunde gegeben hat. Die nachfolgenden Gedanken können also nur eine grobe Zusammenfassung sein. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr stelle ich mir dazu die Fragen:

Was nehme ich aus Joanas Vortrag und ihren Antworten der “Frag mich alles”-Session mit? Was ist stimmig zu meinen eigenen Erfahrungen und Betrachtungen? Wo habe ich Widerstand? Welche Fragestellungen und Themen gehen mir weiter nach? Und das meine ich im besten Sinn, denn genau diese Reibungspunkte bringen uns ja voran.

Wie verändert sich die Welt?

Wenn es um die Digitalisierung von Unternehmen oder Initiativen geht, die sich für das Gemeinwohl einsetzen – Social Business, Social Innovation und Wohlfahrtsverbände gleichermaßen – haben wir es mit 3 wichtigen Herausforderungen zu tun. Sie alle beeinflussen stark, wie wir heute und zukünftig leben und arbeiten:

Erhöhte Komplexität & Dezentralisierung

Das Internet ist ein dezentrales Medium. Mit dem Einführen dieses Mediums haben wir die Komplexität und Dynamik unserer Welt stark gesteigert. Das heißt, wir haben viel mehr Verbindungen zwischen Einzelteilen. Daraus folgt, wir brauchen innovative Ansätze, wie wir mit den verschiedenen Perspektiven umgehen, die zusammenkommen.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch einmal an die Erkenntnisse von Prof. Dr. Peter Kruse:

Das eigentlich Dramatische sind die Änderungen in der Systemarchitektur. […] Es sind die Charakteristiken der Medien, die die wirkliche Änderung tragen. Da fehlen mir manchmal die Bewusstheit und die Wachheit diesbezüglich.

Wenn man sich anschaut, was wir gemacht haben, ist es dramatisch: Wir haben Vernetzung hochgetrieben. Wir haben globalisiert. Wir haben dafür gesorgt, dass die spontanen Aktivitäten aller Beteiligten geradezu explodieren. Wir haben viele Rückkopplungseffekte erzeugt. Und wo immer man das in Systemen tut, wo immer man die architektonischen Möglichkeiten in Systemen erhöht, haben wir eine Dynamik, die zum Nicht-linearen tendiert. Das heißt, die Vorhersagbarkeit dieser Welt bricht nach und nach in sich zusammen. Wir haben keine Situation mehr, wo man so richtig glaubt, planen zu können. […]

Das heißt, auch das Thema Führung kann nicht mehr mit fertigen Konzepten arbeiten. Dann wird hierarchisches Tun immer schwieriger. Wenn alle mich angucken und sagen “Wo geht die Reise hin?” und ich muss sagen “Lass uns mal gemeinschaftlich ausprobieren, wo die Reise hingeht.” Dann fragt man sich natürlich, was ist dann in diesem Kontext noch Führung.

Das heißt, die Experten dieser Welt – diejenigen, die sagen sollen wo es langgeht – stehen vor dem gleichen Dilemma . […] Alle Menschen haben gemeinschaftlich das Dilemma vor sich: maximale Nicht-Linearität, maximale Unvorhersagbarkeit in einer Komplexität, die wir vorher nicht gekannt haben. Das heißt, wir sind alle auf der Suche danach, wie gehen wir mit dieser Situation einigermaßen angemessen um. Das hat nicht nur was mit Führung zu tun. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Suchprozess, der hier stattfindet.

Prof. Dr. Peter Kruse

Geschäftsführer nextpractice GmbH

Wie auch ich in meiner Zusammenfassung zum Paradigmenwechsel Führungskultur in Deutschland zieht Joana den Schluss:

Wir müssen einen viel systemischeren Blick auf die Welt entwickeln, um soziale Wirkung zu erzeugen.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Teilen & Kollaboration

Auf diese hohe Komplexität und Dynamik reagiert die Gesellschaft sinnvollerweise mit innovativen Arten von Innovationsprozessen. Wir sprechen heute von Co-Kreation, von Open Source, Open Knowledge, Open Innovation. Die damit verbundene Offenheit wirkt sich insbesondere an den Grenzen von Unternehmen und Organisationen aus: Sie werden durchlässiger. Es entstehen Netzwerk-Organisationen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg e.V. ist dafür im Grunde das beste Beispiel: Als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege unterstützt er aktuell mehr als 874 lokale Mitgliedsorganisationen, bündelt Kompetenzen, Ressourcen und Interessen – um wiederum die gesellschaftliche Wirkung der Verbandsarbeit zu organisieren. Ehrenamt und Hauptamt von 78.700 Paritäter:innen aus 36 Kreisverbänden arbeiten Hand in Hand.

Die nächste Herausforderung wird hierbei noch sein, sich nicht nur mit zivilgesellschaftlichen Initiativen, sondern auch mit dem Gemeinwohl dienenden Unternehmen (Social Innovators / Social Entrepreneurs) zusammenzutun. Mithin sowohl die interorganisationalen als auch die intersektoralen Grenzen zu öffnen und uns aufs Teilen und Kollaborieren einzulassen.

Diese durchlässigeren “Grenzen” der Organisation zur Gesellschaft bedeutet weiterhin…

Märkte, Karrieren, Arbeit und Führung fließen

Das Arbeitsleben wird flüssiger, weniger starr. Joana beschreibt es so:

Wenn man sich überlegt, wie sich Märkte heute verändern; zum Beispiel die Sharing Economy. Wenn man sieht, wie sich unsere individuellen Karrieren verändern. Dann ist auch klar, dass Arbeit und Führung, die wir entwickelt haben für ein Industrie-Zeitalter, ganz andere Herausforderungen zu bewältigen hatte, als wir sie im digitalen, globalen Zeitalter haben. Das heißt, wie wir heute arbeiten und gestalten, muss sich einstellen auf das Fließende, Fluide, Schnell-Lebige.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work needs Inner Work [ 14’29’‘ ]

Goldene Stunde am Hohenstaufen / Baden-Württemberg / Deutschland
2019-06 Franziska Köppe | madiko

COVID-19 – Die Kombination aller drei Aspekte

Dass die drei von Joana genannten Punkte untrennbar sind und sich gegenseitig beeinflussen, spüren wir gerade jetzt zu Zeiten der COVID-19 Pandemie besonders deutlich. So fragil uns unsere Welt derzeit erscheinen mag: Wir erkennen, dass das Verwischen der Grenzen zwischen “Beruf” und “Privat” nichts Angsteinflößendes sein muss, dass es uns bestenfalls stärken kann. Dass wir dafür jedoch neue, antifragile(re) Formen von Sicherheit und Stabilität brauchen. Diese liegen in uns selbst.

Die hohe Dynamik und damit Unsicherheit lässt uns über den Umgang mit der Gegenwart und den Zukünften nachdenken. Wir sehen, dass wir große Herausforderungen – wie die Pandemie, aber auch zum Beispiel das Verwirklichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung – (nur) gemeinschaftlich erreichen können.

Die strenge Trennung von Privatem und Beruflichem ist nichts Gottgegebenes, das ist ein Konstrukt, das aus der Industrialisierung stammt, als Jobs plötzlich erstmals extremst von uns Menschen entfremdet wurden. Damals im 19. Jahrhundert entstand ein Normativ. Seitdem wurde dieses sich Unterwerfen eines von anderen kreierten Job-Regimes nie wirklich in Frage gestellt.

Ich stamme beispielsweise aus einer Familie mit einem Stammbaum, der sehr weit zurückzuverfolgen ist. Blickt man auf die Lebenswelten unserer Vorfahren, wird klar, wie speziell unsere Arbeitswelten heute so sind. Wir sind alle Kinder der Leistungsgesellschaft. Das Bild “Du bist ein guter Mensch, wenn du möglichst viel leistest” ist unser Standard.

Aber muss man überhaupt erwerbstätig sein? Könnte es nicht noch ganz andere Modelle wie ein “Universal Basic Income” geben? Natürlich ist das visionär, doch wir wollen ja gerade mehr ins Sein kommen, weg vom reinen Tun.

Die Vermischung von Privatem und Beruflichem ist etwas ganz Natürliches, da können wir ruhig wieder hin zurück. Es ist schwachsinnig, acht Stunden am Tag einen großen Teil von dem auszublenden, was und wer und wie man ist.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: Joana Breidenbach im Gespräch mit Franziska Klün von DEARWORK zur Auswirkung von COVID-19 auf das Arbeitsleben in Deutschland

Wenn wir also nicht wollen, dass Menschen beim Wegbrechen von hierarchischen Strukturen (sei es durch den Verlust von Arbeitsorganisation mit klar umrissenen und abgegrenzten Aufgaben und Strukturen oder auch politisch-gesellschaftlichen, stabilen Verhältnissen) ins Chaos rutschen und sich nicht anders zu helfen wissen als zu rebellieren, müssen wir Organisationen und die Menschen in Organisationen ermächtigen, ihre Stabilität und Sicherheit in sich selbst zu finden und mit dem Erwerb ihrer Handlungskompetenzen lernen eigenverantwortlich zu gestalten. Wie machen wir das?

Wie wollen wir leben und arbeiten?

Jede:r von uns ist eingeladen, für sich persönlich diese Frage(n) zu beantworten. Meinen aktuellen Stand zum Erarbeiten des eigenen Werts, den wir in die Gesellschaft oder eine Organisation einbringen und beisteuern wollen, beschreibe ich im EnjoyWork Arbeitsbuch unter dem Denkwerkzeug “WertVerträge”. Bitte hier entlang: “Wie bestimmt sich im unternehmerischen Kontext der Wert der Beteiligten?”

Lass uns hier also auf die Aspekte eingehen, die Joana im BrainFood ansprach und uns den Weg, wie es das betterplace lab anging, näher anschauen [ 15’30’‘ ] .

betterplace lab:
Der Weg der Transformation

… von einer Organisation mit flachen Hierarchien zu einer Netzwerk-Organisation mit kompetenz-basierter, selbstorganisierter Hierarchie.

2020-07: BrainFood 'New Work needs Inner Work' <br> Sketchnotes: betterplace lab - Weg der Transformation. Bild: cc Franziska Köppe | madiko
[ 1 ] Vorüberlegungen zur Nachfolge

2014 erste Überlegungen, wie Joana ihre Nachfolge im betterplace lab gestaltet. Von daher viel mit neuen Modellen von Arbeit und Führen beschäftigt. Unter anderem mit dem Buch “Reinventing Organisations” von Frederic Laloux.

Aus der Begeisterung für das Buch heraus, das Buch als Sommerlektüre ans Team weiterempfohlen.


Buch via EnjoyWork LeseLust: “Reinventing Organisations” + illustrierte Kurz-Ausgabe: “Reinventing Organsations”

[ 2 ] Organisationsentwurf auf dem Reißbrett

Einladung, die Organisation gemeinsam zu mehr Selbststeuerung zu verändern und Selbstverpflichtung des Teams, sich auf den Transformationsprozess einzulassen. Gemeinsames Überlegen und Entwickeln der neuen Organisation in Arbeitsgruppen.

[ 3 ] Freiheiten für alle
  • Radikales Einräumen großer Freiräume für alle
  • Einführen von Peer-to-Peer-Prozessen für dezentrale Entscheidungen
[ 4 ] Führung neu verteilt

Idee: Joana schafft “Platz” in der Organisation für verteiltes Führen durch Reduzieren ihrer Führungsrolle

  • Arbeitszeit Joana von Vollzeit (100%) auf 8 Tage pro Monat (40%) reduziert
  • Klären der Aufgaben der Führung und wie sie zukünftig im Team verteilt werden sollen
[ 5 ] Realexperimente
  • Erproben der neuen Arbeitsorganisation im Tagesgeschäft

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Erkenntnis nach ~1,5 Jahren, dass bisher nur an der Struktur der Firma gearbeitet wurde, nicht jedoch an den persönlichen Kompetenzen
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[ 6 ] Start des inneren Wachstums-Prozesses
  • Hinzuziehen der Organisationsentwicklerin Bettina Rollow und Start des inneren Wachstums hinsichtlich der Handlungskompetenzen, des WIRs und der Feld-Kompetenzen
[ 7 ] Ermächtigen, dass das Team in seine innere Kraft und Klarheit kommt

Stärken der Sicherheit und Orientierung “im innen”: sowohl auf individueller Ebene als auch als Team

  • in Kontakt kommen mit der intrinsischen Motivation und Sinn,
  • Reinwachsen in das Potenzial der:des Einzelnen und der Gruppe,
  • konstruktiver Umgang mit Konflikten,
  • Wissens- und Erfahrungsaustausch zum Menschen- und Weltbild (Feld-Kompetenzen)

betterplace lab:
Neue Arbeits- und Führungsform

Am Ende des ersten Findungsprozesses zur Frage, wie sie zukünftig leben und arbeiten wollen, legt das 14-köpfige Team die Rahmenbedingungen für ihre Zusammenarbeit im betterplace lab unter anderem so fest:

  • Freie Wahl von Projekten, Arbeitsplätzen und Arbeitszeiten
  • Entscheidungen werden mit Konsultation getroffen
  • Konfliktresolution-Prozesse
  • Gemeinsame Budget-Planung
  • Peer-to-Peer Gehälterverhandlungen
  • Kollegen stellen Kollegen ein (Dezentralisierung von Personalprozessen)
  • Kein Boss, kein Management; aber “Überblicker” zum Im-Blick-Behalten der gesamten Organisation und Vorbeugen von Projekt-Silos (z. B. für Finanzen, Team, Strategie, Öffentlichkeitsarbeit, IT)

Zusammengefasst als betterplace lab Verfassung

Die Verfassung verdeutlicht die Arbeitsweise und Organisationsstruktur des betterplace lab. Gerade wenn es keinen Chef gibt, auf dessen Schultern man Verantwortung abladen kann, ist es wichtig zu wissen, nach welchen Regeln unsere Prozesse ablaufen.

Welche Rahmenbedingungen werden für Selbststeuerung gebraucht?

Joana sprach im Rahmen des BrainFood zahlreiche Einflussfaktoren auf gute Arbeit an, die jeder für sich genommen, Wert wäre, hier vertieft zu werden. Ich greife mir aus dieser Fülle zwei heraus, die mir besonders wichtig erscheinen:

Prinzip der Freiwilligkeit

Niemand kann Wachstum anordnen. […] Das Problem mit vielen “Change-Prozessen” ist, dass sie angeordnet werden. Dass dann Berater im Haus sind, […] wo man sich – vermutlich zurecht – Gedanken um seinen Arbeitsplatz macht. […] und jetzt soll ich auch noch an meiner Persönlichkeit arbeiten?!

Ich glaube, das [Wachstumsprozesse und Transformation] kann nur eine Einladung sein. Menschen – in meinem Weltbild – wollen sich weiterentwickeln, sind neugierig per se und möchten nicht 20 Jahre an einer Stelle im Unternehmen bleiben. Es geht darum, viel Respekt für den natürlichen nächsten Schritt eines Jeden zu haben. Dafür braucht es entsprechende Unterstützungsmaßnahmen. […]

Und dass man ganz klar kommuniziert: Wir begeben uns auf eine Reise in die Zukunft. Wir wissen auch nicht, was das Ergebnis sein wird. Es geht nicht darum, dass jede selbstorganisiert arbeitet. Es geht für jede Unternehmung / jedes Team darum, für sich den nächsten Schritt zu finden. […] Niemand erwartet von Euch, dass ihr das von heute auf Morgen könnt. Sondern viele von diesen Sachen – kreativer zu sein, selbstverantwortlicher zu sein – können wir lernen. Wenn ihr Lust habt, dann lernt mit!

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 31’38’‘ ]

Eine kleine, unvollständige Auswahl an Maßnahmen und Unterstützungsangeboten, die das betterplace lab nutzt und die zu einer konstruktiven Lerngemeinschaft mit intrinsischer Lernbereitschaft beitragen (können):

  • langjährige Begleitung durch eine Organisationsentwicklerin (> 5 Jahre)
  • Supervision
  • Eins-zu-eins-Gespräche
  • Mediation für Konflikt-Gespräche
  • wertschätzende “Check-Ins” bei Besprechungen
  • Meta-Reflexion am Ende von Besprechungen (dazu unten mehr)
  • Retrospektiven (adaptiert aus SCRUM)
  • gemeinsames Finden einer Sprache
  • gemeinschaftliches, partizipatives Entwickeln von Konzepten / Vorgehensweisen
  • “wildes” Denken außerhalb des Rahmens

Wer sich weiter hineinvertiefen möchte: Einen Teil ihrer erprobten Formate beschreibt Barbara Djassi auf dem betterplace lab Blog via Erprobte Formate fürs digitale Miteinander auf einen Blick.

Nein, Danke!. Bild: copy Franziska Köppe | madiko

Nein, Danke!
[ 2020-08 Franziska Köppe | madiko ]

Zu Wahlfreiheit und Entscheidungsfreiheit gehört natürlich auch die Freiheit, “Nein” zu sagen:

Nicht alle Menschen wollten diesen Weg mitmachen. Es ist eine Herausforderung, ihn so inklusiv zu gestalten, dass Menschen, die ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis haben, auch damit klarkommen, dass unsere Arbeitswelt und die Welt “da draußen” unsicherer wird.

Es gibt Menschen – obwohl sie gern für und mit uns gearbeitet haben – die das Team verlassen haben, weil sie gemerkt haben, das es sie auf eine Art und Weise herausfordert, die zu viel ist.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 34’20’‘ ]

Damit stellt sich natürlich die Frage: Wie entsteht im Team und in einer Organisation das Gefühl von Sicherheit? Was genau ist überhaupt damit gemeint?

Balance der äußeren und inneren Sicherheit

Dr. Joana Breidenbach

In dem Moment, wenn ich ganz viele Regeln im außen wegnehme, muss ich mit meinen Kollegen in der Lage sein, mich fluide, situativ abzusprechen. Ich muss viel mehr über sie wissen, zum Beispiel wer hat welche Fähigkeiten und wer kann was übernehmen. Und ich muss eine höhere Kompetenz haben, konfliktfähig zu sein. […]

Was bei uns sehr wichtig war: Das wir uns als Team als Lerngemeinschaft verstanden haben. Dass wir gesagt haben, wir stehen einander zur Verfügung. Wir werden viele Fehler machen. Wir werden einander verletzen, gerade wenn man so offen miteinander kommuniziert. […] Dass wir uns dafür einen großzügigen Raum gegeben und gesagt haben, wir wollen es zusammen lernen.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 24’26’‘ / 33’27’‘ ]

[ Foto: Universität Leuphana ]

Dahinter steht wohl eine der wichtigsten Erkenntnisse, die Joana mit uns teilte: Dass wir eine Balance der Kräfte brauchen, damit wir Menschen mit Mut und Vertrauen kreativ und arbeitsfähig in selbstgesteuerten Organisationen sein können. Woran macht sich ein Gefühl der Sicherheit fest? Joana sprach im Rahmen des BrainFood zwei Denkmodelle an, die das betterplace lab aufgegriffen hat und für ihre Arbeit anwendet und nutzt:

Der Integrale Ansatz mit seiner AQAL-Matrix zielt darauf, Situationen besser wahrnehmen und erfassen zu können, um mit anderen darüber ins Gespräch kommen zu können.

Das Modell der Grundbedürfnisse kann darin unterstützen, eine ausgewogenere Balance zwischen Sicherheit/Zugehörigkeit und Wachstum/Selbstausdruck zu finden.

Integraler Ansatz mit AQAL-Matrix

So wie ich Joana verstehe – und das kann falsch sein – geht es dem betterplace lab um ein umfassendes Verständnis der Welt und des Menschen. Sie folgen dem Integralen Ansatz von Kenneth “Ken” Earl Wilber Jr., auf den auch Frederic Lalouxs “Reinventing Organisations” aufbaut.

In seinen Werken versucht Ken Wilber, uns ein Instrumentarium an die Hand zu geben, um die Welt oder auch einen Augenblick beschreiben zu können. Er nutzt dafür Quadranten, Ebenen, Linien, Zustände und Typen, englisch AQAL [“aw-qwal”] abgekürzt – das für “all quadrants, all levels, all lines, all states, all types” steht.

Integraler Ansatz meint: einschließend, ausgewogen, umfassend. Erfassen, Analysieren und Beschreiben von Situationen und Kontext sind geprägt vom Anspruch, anzuerkennen, dass es verschiedene Arten der Betrachtung eines Problems gibt. Wir also nicht nur einen Weg (an)nehmen, den wir versuchen, anderen aufzuzwingen. Der Integrale Ansatz fordert uns vielmehr auf, all die Variablen zu berücksichtigen, wenn es darum geht zu klären, warum Menschen sich so verhalten wie sie sich verhalten.

Individuen agieren aus verschiedenen Wellen oder Stufen ihrer Entwicklung. Ebenso operiert eine Gruppe von Menschen aus unterschiedlichen Zuständen heraus. Wenn wir all das berücksichtigen, erhalten wir eine genauere Landkarte des Terrains, um das es uns geht. Der Integrale Ansatz erlaubt es uns, auf jede gegebene Problemstellung so zu schauen, dass all die wichtigen Variablen identifizierbar werden, die zur Herausforderung in jedem der fünf Hauptbereiche beitragen:

Quadranten (Perspektiven, wie wir die Welt wahrnehmen)

Quadranten tragen der Tatsache Rechnung, dass wir uns selbst und unsere Welt perspektivisch wahrnehmen:

  • subjektiv (ich, mir, mein usw.)
  • intersubjektiv (du, wir, unser usw.)
  • objektiv (er/sie/es, sie usw.)

Ken Wilber stellt im Spektrum zunächst innen/außen sowie individuell/kollektiv einander gegenüber. Die 4 Quadranten kombinieren dann die voneinander unterscheidbaren, jedoch in einem Zusammenhang stehenden Wahrnehmungs- oder Erlebensräume eines jeden Augenblicks.

Linien (Intelligenzen oder Kompetenzen)

Die Linien stehen für Intelligenzen oder Kompetenzen, wie sie z. B. die Entwicklungspsychologie beschreibt. Also beispielsweise die Fähigkeit zu sozialer Anteilnahme, Spracherwerb, Interaktion mit der Umgebung (Epigenese) usw.

Die Entwicklungspsychologie erklärt zeitlich überdauernde, aufeinander aufbauende Veränderungen menschlichen Erlebens und Verhaltens über die gesamte Lebensspanne. Diese Veränderungen führen zu einer Zunahme oder Abnahme von Fähigkeiten im biologisch artgemäßen (nicht von Krankheit bestimmten) Verlauf des Lebens.

Linien und Ebenen berücksichtigen, dass sich vieles im Universum in Entwicklung befindet.

Ebenen (Grundebenen und Wellen der Entwicklung)

Die Ebenen sind allgemeine Grundebenen oder Wellen der Entwicklung, durch die die Linien hindurch laufen, wie z. B. prä-konventionell, konventionell und post-konventionell, oder prä-rational, rational und trans-rational.

Ebenen und Linien berücksichtigen, dass sich vieles im Universum in Entwicklung befindet.

Zustände (vorübergehende Erfahrungsbereiche)

Zustände sind vorübergehende Erfahrungsbereiche, von den wechselnden phänomenologischen, seelischen Verfassungen wie Freude, Trauer, Angst, Glück, Trägheit usw. bis zu Stadien des Wachens, Träumens und des traumlosen Tiefschlafes, die wir alle 24 Stunden durchlaufen.

Typen/Typologien (gleichwertige Erscheinungs- /Ausprägungsformen)

Typen oder Typologien sind gleichwertige Erscheinungs- oder Ausprägungsformen, z. B. männlich/weiblich/divers, Ying/Yang, solar/lunar, die vier Elemente Erde/Wasser/Luft/Feuer, usw.

Zusammengenommen stehen diese 5 Bereiche – als ein Abbild der Struktur des Universums in jedem Augenblick – nicht nebeneinander, sondern wirken miteinander. Das Männliche und das Weibliche z. B. in jedem Menschen entwickelt sich, betrachtet perspektivisch sich selbst und die Welt, und durchläuft permanent unterschiedliche Zustände.

In seiner “Theory of Truth” leitet Ken Wilber die von Joana im Vortrag gezeigte AQAL-Matrix ab, die all diese fünf Elemente miteinander vereinigt:

Integrale Theorie: AQAL-Matrix / Sketchnotes. Bild: cc Franziska Köppe | madiko

Auf diese Weise eröffnet der Integrale Ansatz Lösungen, die all die wichtigen Faktoren anerkennen und aufnehmen, ohne einen von ihnen auszuschließen oder zu verneinen. Die Matrix bleibt dabei ergebnisoffen, für das, was die Beteiligten daraus ableiten, entscheiden und umsetzen.

Mithin eröffnet uns das AQAL-Modell nicht nur einen klareren Blick auf die Welt, uns und unsere Mitmenschen sowie die Systeme, in denen wir uns bewegen. Wir werden in die Lage versetzt, eine gemeinsame Sprache zu finden – die Basis für eine gute, sinnstiftende Kommunikation.

AQAL-Matrix eines Sozial-Unternehmens. Bild: cc betterplace lab gGmbH / Keks Ackerman

AQAL-Matrix eines Sozial-Unternehmens
[ 2020-08 betterplace lab gGmbH / Keks Ackerman ]

Die Grafik wurde mir von Joana freundlicherweise in Ergänzung zur Verfügung gestellt. Bitte beachten – hier sind die Quadranten um 90° gedreht im Vergleich zu meiner Version der AQAL-Matrix, um sie abzustimmen zur Sketchnotes Dynamische Balance unten.

Auf jeden Fall war es so, dass wir gemerkt haben: Wir haben uns ja nur um Strukturen und Prozesse [pluralistisches “ES” – kollektives außen ] gekümmert. Wir haben alle anderen Dimensionen des Lebens ausgeblendet. […]

Wir haben dadurch auch gesehen, dass wir im Außen ziemlich krass alles verändert hatten – ohne dass wir uns überlegt hatten, ob wir als Team überhaupt die notwendigen individuellen Kompetenzen haben. Und wie ist eigentlich das Selbstverständnis von uns? Wie stehen wir im Leben? Was sind unsere Bedürfnisse? Was sind unsere Interessen?

Wie kommunizieren wir miteinander? Wie ist unsere Kultur, die seit Jahrhunderten einem hierarchischen Modell folgt? Und natürlich haben wir Menschen uns dadurch, wie wir Schule erleben, wie wir Ausbildung erleben, wie wir sonstige Arbeitskontexte erleben an das hierarchische Modell so gewöhnt, dass das uns geformt – und ich würde sagen auch deformiert – hat.

Uns war also klar: Wir müssen einen anderen Transformationsprozess einsetzen. Gerade im Innen müssen wir nachholen.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 17’57’‘ ]

Mit der Vergrößerung der Wahrnehmung für die Realität und damit die Annäherung an die Einflussgrößen für Wahrheit, können wir uns einem weiteren Faktor widmen, der uns im Themenkomplex “Sicherheit” im Rahmen von Transformationsprozessen weiterbringt. Nämlich der Arbeit mit und an den Grundbedürfnissen von uns Menschen.

Dynamische Balance zwischen innen und außen

Wir fanden uns in einer Situation wieder, wo Menschen ängstlich waren und nicht so wirklich in ihre Kraft hineingekommen sind, obwohl das theoretisch möglich gewesen wäre. […] Die Balance zwischen innen und außen, die jede im Team gefunden hatte, hatten wir verschoben. Und natürlich kommt man dann ins Schleudern, denn man muss eine gewisse Art von Sicherheit als Mensch haben. Das weiß jeder von uns: Wenn ich gestresst bin, wenn ich mich unsicher fühle, kann ich nicht kreativ sein und kraftvoll gestalten.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 19’30’‘ ]

Was war also mit der Umstellung der Arbeitsorganisation passiert?

Wir alle werden in unserem Alltag von psychologischen Grundbedürfnissen geleitet. Wir streben danach, diese Bedürfnisse zu befriedigen – positive Erfahrungen herbeizuführen und unangenehme Dinge von uns fernzuhalten. Menschen balancieren dabei stets vier Grundbedürfnisse [ Klaus D. Grawe ] aus:

  • Das Bedürfnis nach Bindung
  • Das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle
  • Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz
  • Das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung
Grundlagen Sinnvoll Wirtschaften / Weltbild & Menschenbild: Grundbedürfnisse. Bild: cc Franziska Köppe | madiko

Klaus Grawe definierte und erforschte im Rahmen seiner Studien die vier Grundbedürfnisse. Sie sind empirisch gut untersucht und belegt. Es ist die Weiterentwicklung der allseits bekannten Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow. Der wohl größte Unterschied in beiden Ansätzen ist, dass Grawe davon ausgeht, dass alle vier Bedürfnisse gleichermaßen bedeutsam für uns und – im Gegensatz zur Bedürfnishierarchie – keiner Hierarchie unterworfen sind, wonach eines der Bedürfnisse wichtiger oder grundlegender als ein anderes wäre.

Grawe erkannte, dass es für unser psychisches und physisches Wohlbefinden unumgänglich ist, dass all unsere Grundbedürfnisse erfüllt werden. Sind diese – und sei es nur eines von ihnen – über längere Zeit nicht befriedigt, fühlen wir uns nicht wohl und werden über kurz oder lang krank.

EnjoyWork Arbeitsbuch: Grundbedürfnisse des Menschen
EnjoyWork Arbeitsbuch: Was sind die wichtigsten, tiefsten Bedürfnisse für einen gesunden Geist?

Wir alle werden in unserem Alltag von psychologischen Grundbedürfnissen geleitet. Wir streben danach, diese Bedürfnisse zu befriedigen – positive Erfahrungen herbeizuführen und unangenehme Dinge von uns fernzuhalten. Menschen balancieren dabei stets vier Grundbedürfnisse aus: Bindung, Orientierung & Kontrolle, Selbstwert-Erhöhung & Selbstwert-Schutz sowie Lust-Gewinn & Unlust-Vermeidung.

EnjoyWork Arbeitsbuch: Grundbedürfnisse des Menschen

Wie Joana sagt, beeinflussen die äußeren Umstände die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse. Je weniger wir uns diesen bewusst sind und einen eigenen Weg gefunden haben, uns um uns selbst zu kümmern, desto anfälliger sind wir für Veränderungen. Das fällt uns besonders auf, wenn die Fremdsteuerung und damit Fremdbestimmtheit wegfällt und wir eigenverantwortlich auf uns gestellt sind.

Von daher fand ich interessant, dass das Team vom betterplace lab die Grundbedürfnisse noch einmal für sich sortiert hat – ins Spektrum Sicherheit versus Selbstausdruck (Grafik Keks Ackerman):

betterplace lab: Sicherheit versus Selbstausdruck. Bild: cc Joana Breidenbach & Keks Ackerman / betterplace lab

betterplace lab: Sicherheit versus Selbstausdruck
[ 2020-08-25 Joana Breidenbach & Keks Ackerman / betterplace lab ]

Dadurch, dass wir unsere Prozesse so stark verändert haben, haben wir unheimlich viel Sicherheit weggenommen, weil Hierarchie natürlich Sicherheit und Orientierung gibt. Gleichzeitig haben wir sehr viel Freiheit gegeben. […]

Es war für uns eine wichtige Erkenntnis, dass wir gesehen haben, wir haben im Team ganz unterschiedliche Balancen. Jeder holt sich Sicherheit über andere Funktionen. Jede braucht andere Rahmenbedingungen, um innovativ und kreativ zu sein.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 20’03’‘ ]

Im nächsten Schritt hat das betterplace lab dann AQAL und die Grundbedürfnisse zusammen genommen und ist zur Erkenntnis gelangt:

Wir sagen, in dem Moment, wo wir im Außen sehr viel Sicherheit haben – weil wir zum Beispiel in einer Bürokratie arbeiten, wo sehr viele Rahmenbedingungen vorgegeben werden und alles verregelt ist — dann brauchen wir im inneren nicht so viel Orientierung und Sicherheit. Aber in dem Moment, wenn wir in Richtung Selbstorganisation gehen und Sicherheit im außen radikal abbauen, müssen wir unsere persönliche Sicherheit an einer anderen Stelle finden. […]

Die [Sicherheit] muss dann in uns selbst als Menschen kommen. Wir müssen in uns eine andere Klarheit haben, eine andere Verankerung und Orientierung in uns selbst finden. Und nicht nur in uns selbst sondern auch miteinander. Kommunikativ müssen wir viel stärker und klarer werden, um die vielen Strukturen, die im außen bei diesen neuen Arbeitsweisen wegfallen, zu kompensieren.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 20’50’‘ ]

Joana drückt das mit einer stark vereinfachten Grafik aus [ 20’52’‘ ], die ich nach längerem Draufrumdenken weiterentwickelt und für EnjoyWork adaptiert und ergänzt habe – in der Hoffnung, sie dadurch leichter verständlich zu machen:

2020-07: BrainFood 'New Work needs Inner Work' <br> Sketchnotes: Dynamische Balance Innen vs. Außen. Bild: cc Franziska Köppe | madiko

Womit wir zur Frage kommen: Wie geht dies? Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden dafür nötig?

Welche Kompetenzen werden für Selbststeuerung gebraucht?

Diffusität für das eigene Bild führt zu Unsicherheit. Potenziale können entdeckt und entwickelt werden, wenn das Selbstbild klarer wird durch Reflexion — jede:r für sich und im Rahmen des WIR-Prozesses als Team. Wichtig sind dabei auch Kompetenzen hinsichtlich der (persönlichen) Beziehungen.

Um soziale Beziehungen erfolgreich zu leben, ist ein unerschrockenes Umgehen miteinander notwendig. Ein hohes Maß an Direktheit und hohe Persönlichkeitskompetenzen werden gebraucht, um dieser Offenheit und Vertrauen Raum zu geben.

Denke ich über die Kompetenzen nach, die wir für Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft brauchen, so komme ich stets auf die vier von mir erarbeiteten, grundlegenden Handlungskompetenzen zurück. Ihr Vorteil liegt aus meiner Sicht darin, dass sie zunächst generisch sind und auf jeden (noch so komplizierten, komplexen, chaotischen oder dynamischen) Kontext angewandt werden können:

Sketchnotes: Individueller Wert und Handlungskompetenzen <br>Grundlagen Sinnvoll Wirtschaften / Menschenbild <br>Bitte auf die Sketchnotes klicken um zu vergrößern.. Bild: cc Franziska Köppe | madiko

Diese erkenne ich auch in Joanas Ausführungen wieder – auch wenn sie andere Begrifflichkeiten dafür verwendet. Eine Terminologie, die das betterplace lab für sich entwickelt und verhandelt hat. Allein das ist ein bemerkenswerter Punkt, der wichtig ist: Jedes Team, sollte idealerweise seine eigene Definition finden. Ich komme gleich unten darauf zurück, wie sich das betterplace lab ihre Liste der Kernkompetenzen erarbeitet hat.

“Inner Work Kompetenzen für New Work”

Im betterplace lab heißen sie demnach “Inner Work Kompetenzen für New Work” und umfassen:

  • Authentizität / Selbstkontakt / Selbstreflexion
  • Selbstorganisation / Selbstmotivation
  • Empathie / Feedback / Meta-Reflexion / Konfliktfähigkeit
  • Multiperspektivität / Das große Ganze sehen
  • Intuition

Wie erwarb das Team die Kompetenzen?

Interessant fand ich hier noch das Vorgehen, wie das Team des betterplace lab diese Kompetenzen sukzessive erworben und sich – neben dem Tagesgeschäft – erarbeitet hat. Gemeinsam mit Bettina führten sie in zirka 6-wöchigem Abstand Organisationsentwicklungs-Workshops durch. Während dieser Klausuren identifizierten sie die für ihre Arbeit notwendigen Kompetenzen. Mithilfe von beispielsweise Rollenspielen erprobten sie die Kompetenzen im Rahmen der Workshops. Anschließend integrierten sie die Kompetenzen dann direkt in den Arbeitsalltag.

So griff sich Joana im BrainFood beispielhaft die Kompetenz “Meta-Reflexion” heraus und beschrieb sie als die Fähigkeit, im unmittelbaren Prozess aus der individuellen Perspektive auszusteigen und die Dynamik der Gruppe zu beobachten.

Anwendung im Alltag: Das betterplace lab hat es sich zur Gewohnheit gemacht, bei längeren Team-Meetings eine Meta-Reflexion anzuschließen. Dabei fragen sie nicht, wie die einzelnen Team-Mitglieder die Besprechung fanden. Vielmehr schauen sie gemeinsam darauf, was sie über die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit sagen können.

Waren es wieder nur die weißen Männer, die dominiert und immer was erzählt haben? Gab es Irritationen im Raum, die wir der Effizienz willen unter den Teppich gekehrt haben, die sich eigentlich lohnen anzuschauen?

Irritationen sind Sand im Getriebe und müssen bearbeitet werden. Wir haben darüber im Team ein eigenes Vokabular entwickelt. Zum Beispiel, dass wir in Team-Meetings sagen “Irritation hat Vorrang”, wenn wir sehen, dass eine Spannung zwischen Team-Mitgliedern besteht – die vielleicht getrennt ist von der Sachfrage, vielleicht aber auch nicht. Das ist ja häufig sehr miteinander verwoben.

Wir haben neue Konzepte erlernt, die es uns als Team ermöglichen, offener und vor allem präziser über Sachen zu sprechen, die in uns und in der Team-Dynamik vorgehen.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 26’58’‘ ]

Wie verändert sich Führung in selbstgesteuerten Teams?

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Wenn wir auf Selbststeuerung der Organisation setzen, fordert dies uns Menschen individuell und als Team auf neue, intensivere Weise heraus. Wir müssen eine ausgewogene(re) Balance finden für unser Wohlbefinden, unsere Innovationsfähigkeit und Kreativität. Ein gewinnbringender Weg ist, – im Kleinen wie im Großen – an unseren Handlungskompetenzen zu arbeiten und gut auf unsere Grundbedürfnisse zu achten.

Lass mich dafür unseren Fokus noch auf einen Aspekt richten, bei dem ich mich besonders freute, dass Joana ihn im Rahmen vom BrainFood ansprach – nämlich die Art und Weise, wie sich durch diese Aufmerksamkeitsverschiebung auf das, was uns wirklich wichtig ist, auch etwas im Hinblick auf unser Verständnis von Erfolg verändert:

Dr. Joana Breidenbach

Woher kommt Innovation?

Ich habe lange Zeit mit einem Modus operiert, dass ich dachte, ich bin innovativ, wenn ich möglichst viele Informationen in mich hineinfresse und ganz viel Input reinhole. Ich musste dann – vor allem durch meine Meditationspraxis – sehen: Das stimmt ja überhaupt nicht! Ich bin ja viel zu überflutet.

Wir haben Thesen entwickelt, wie Neues in die Welt kommt. Nämlich viel mehr aus einem stilleren Raum, wo Sachen plötzlich auftauchen und neue Perspektiven sichtbar werden.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 25’48’‘ ]

[ Foto: Joana Breidenbach / Foto: Nils Hasenau ]

Ganz viele Unternehmen, die sich in die Richtung Selbstorganisation weiterentwickeln, gehen davon aus, dass sie eigentlich alles noch weiter so machen können wie bisher, jetzt nur selbstorganisiert. Meine Erfahrung wäre, dass sich die Definition von Erfolg total verändert. Dass wir wirklich andere Unternehmen schaffen.

Manche Leute denken, dass mit Selbstorganisation alles effizienter wird. In meiner Erfahrung verliert “Effizienz” als Wert an sich an Bedeutung. Natürlich ist es gut, dass wir manche Sachen effizient machen. Wenn dadurch jedoch so viele Kollateralschäden entstehen, weil wir uns selbstausbeuten, weil wir keine gute Kommunikationskultur untereinander haben – dann will ich nicht effizient sein!

Ich glaube, eine große Herausforderung ist, zu verstehen, dass zum Beispiel die Art und Weise wie wir Erfolg messen sich verändert […], weil wir eine viel diversifiziertere Zielmatrix haben. […]

Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass wir auf der einen Seite viel weniger als vorher formal messen, also KPI-mäßig. […] Die Prozesse verändern sich während sie laufen so ungemein, dass es vollkommen unsinnig ist, einer vor Projektstart festgelegten Zielmatrix zu entsprechen. […] Dann muss ich mich verbiegen und müsste das [Zielsystem] ständig anpassen. Wir versuchen daher, viel dynamischere Ziele im Projektverlauf zu entwickeln.

Wir haben definitiv in der Zielmatrix auch so Faktoren “Wie geht es mir als Mitarbeiter dabei?”, “Wie war die Kooperation?”, “Wie war der kulturelle Fit zu unseren Partnern?”. Für uns ist es zum Beispiel auch ein Erfolg, wenn wir bei einem Partner sehen, der vielleicht eher konservativ ist, wir haben eine Inspiration platziert. Dass sie sich auch in eine bestimmte Richtung entwickeln, vielleicht authentischer werden wollen. […]

Wir haben natürlich klare Prinzipien von Qualität […]. Das meiste davon entwickeln wir in einem sehr transparenten Diskurs miteinander. Wo wir auch sagen, wenn ein Fehler passiert ist. Niemand würde bei uns einen Fehler unter den Tisch kehren wollen. Uns ist klar, alle werden Fehler machen und es ist eine Kultur, die Fehler respektiert. Eine Kultur, die es als Lernchance wirklich annimmt und nicht nur sagt. […] Das kann es natürlich nur geben, wenn es insgesamt einen großen Vertrauensraum gibt im Unternehmen.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 34’55’‘ // 48’46’‘ ]

Und, geht dieser Weg auf? Lohnt es sich?

Stress-Test COVID-19

Die ersten Schritte auf dem Weg zur Transformation unternahm das Team im Sommer 2014. Seither sind sechs Jahre vergangen. Joana erlaubte uns ebenfalls einen Einblick ins betterplace lab zu Pandemie-Zeiten [ 28’57’‘ ].

Wir haben gesehen, dass es uns als Team extrem einfach gefallen ist, uns dezentral zu synchronisieren. Es war sowieso so viel Information und Wissen übereinander im Raum und so viel Offenheit, das in einer emotional schwierigen Zeit – mit den Kindern, oder einem Partner, wo man vielleicht ganz froh ist, ein Büro zu haben, damit man nicht immer mit ihm zusammensein muss – das das alles Platz haben konnte. Dass Menschen als ganzer Mensch auftreten konnten.

So ist dieses Team sehr schnell wieder in eine Kreativität gekommen. Schon in der zweiten Woche [ der Pandemie ] entwickelten wir neue, coole Projekte für andere zivilgesellschaftliche Organisationen, mit denen wir dann denen geholfen haben, in dieser herausfordernden Zeit, ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen.

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 28’57’‘ ]

Joana sprach ebenfalls an, wie schwer es vielen Chefs fällt, loszulassen und ihre Kontroll-Instanz herunterzufahren – dass dies jedoch gerade in selbstgesteuerten Firmen (oder auch in Zeiten von COVID-19) besonders erfolgskritisch ist.

Wenn man sich auf diesen Weg [ der Selbststeuerung ] begibt, ist das ja ein radikales Loslassen. […] Ich habe ganz gut losgelassen. Das ist möglich, weil ich merke, in diesem Team ist so viel Vertrauen, Selbstverantwortung und Verantwortung für das Ganze, dass ich mich vollkommen entspannen kann und kein Kontroll-Bedürfnis mehr habe. Das ist das Tollste, das man als “Ex-Chef” erfahren kann, wenn man nicht mehr das Gefühl hat: “Oh Gott, da muss ich immer noch halten.” Nein, Das System hält sich selbst. Und das ist super!

Joana Breidenbach

betterplace lab gGmbH

Quelle: BrainFood: New Work Needs Inner Work [ 30’04’‘ ]

Dr. Joana Breidenbach. Bild: copy betterplace lab gGmbH

Dr. Joana Breidenbach
[ 2020-08 betterplace lab gGmbH ]

Innehalten & Ausblick

Soweit meine individuelle Zusammenfassung des BrainFoods von und mit Joana Breidenbach. Ihre sprühende Begeisterung, ihre Energie und ihre Freude an der Arbeit zu spüren, ist eine Wohltat. Ich wünsche mir, dass Begegnungen wie diese dazu einladen, dass sich Menschen Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft vorstellen können. Ungeschminkt, ungeschönt, mit allen Höhen und Tiefen. Wenn ich mit meiner Rückblende auf eine inspirierende Stunde dazu beitragen kann, wäre das schön.

Danke, dass Du mir bis hierher gefolgt bist. Auch für mich war es eine intensive Reise des Verstehens. Joana hat mich herausgefordert, mir über vieles wieder ein Stück klarer zu werden. Liebe Joana, einen herzlichen Dank dafür.

Und einen dicken Applaus an das Team des PARITÄTischen Wohlfahrtsverbands Baden-Württemberg, die die Bühne bereiteten und uns zu dieser kreativen Mittagspause eingeladen haben. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung der Gespräche.

Bleib neugierig,

Quellen und Weiterführende Links

BrainFood

BrainFood
Veranstaltungsreihe des PARITÄTische Wohlfahrtsverbands Landesverband Baden-Württemberg e.V.

BrainFood: New Work needs inner Work
Joana Breidenbach zu Gast im PARITÄTischen BW

Integrativer Ansatz und AQAL-Matrix

Die Grundbedürfnisse des Menschen

  • Prof. Dr. Klaus Detlev Grawe, Psychologische Therapie. (2000, Göttingen: Hogrefe)
    Online-Quelle: Unsere Grundbedürfnisse Lic. phil. Uta Liechti Braune via Klaus-Grawe-Institut für Psychologische Therapie

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