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Biologisierung der Wertschöpfungskette

Session-Dokumentation INDUSTRIEcamp 2018

veröffentlicht: 08.05.2018 · Franziska Köppe | madiko

Session-Geber / moderiert von: Dr. Günther Jutz
Wann und wo: 08.05.2018, 15 Uhr, Raum “Albert Einstein”
Dokumentiert von: Matthias Kutz, Franziska Köppe

INDUSTRIEcamp 2018

Mit der Bioökonomie soll die Wirtschaft nachhaltiger werden. Ziel ist die Nutzung nachwachsender Rohstoffe und erneuerbarer Energien zur Verbesserung der Wertschöpfungskette. Fokussiert auf die Branchen Metall, Steine, Keramik, Erden wurden verschiedene zentrale Fragestellungen diskutiert. Im Workshop wurde die aktuelle “BIOTRAIN”-Studie des Fraunhofer-Institute vorgestellt und weitere Erkenntnisse für die Studie erarbeitet.

Foto: INDUSTRIEcamp 2018
[ 2018-05 INDUSTRIEcamp // Fotos: Kruppa/madiko ]

Die Herausforderung

Die Natur steht Pate bei der Bewältigung von globalen Herausforderungen und Entwicklungszielen: Neue Lösungen und Entwicklungen in der Biotechnologie, Bionik, aber auch in Organisations- und Kommunikationsstrukturen sollen helfen, die industrielle Wertschöpfung zu erhöhter Nachhaltigkeit, reduziertem Ressourcenverbrauch usw. zu bewegen.

Ziel ist die Nutzung nachwachsender Rohstoffe und erneuerbarer Energien zur Verbesserung der Wertschöpfungskette. Fokussiert auf die Elektro- und Metallindustrie wurden verschiedene zentrale Fragestellungen diskutiert.

In der Session wurden weitere Stimmen aus der Industrie und Forschung zum Thema eingeholt, die in eine große Studie zum Thema „Biologische Transformation der industriellen Wertschöpfung“, durchgeführt von der Fraunhofer-Gesellschaft und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, eingearbeitet werden.

In der Session stand die Transformation der industriellen Wertschöpfung im Vordergrund und war daher auf technologische Innovationen für eine biologische Transformation fokussiert; die Thematik ist aber – mit anderen Gewichtungen und Fokussierungen – auch als Bioökonomie oder Circular Economy auf der politischen Agenda einer großen Anzahl von Ländern.

Zentrale Fragen & Arbeitsthesen

These als Auftakt zur Diskussion:

INDUSTRIEcamp 2018

Die Digitalisierung hat sich in den vergangenen Jahren als Treiber für große Umwälzungen in Gesellschaft wie auch der Industrie herausgestellt. Einen ähnlichen Einfluss könnte die biologische Transformation für die Unternehmen bedeuten.

Auf dem Weg zu einer biointelligenten Wirtschaft sind zukunftsfähige Konzepte und Technologien auf industrieller Wertschöpfungsebene gefragt, die sich an natürlichen Stoffkreisläufen orientieren.

Die Etablierung von neuartigen, evolutionsfähigen Lösungen und Produkten ist ein wichtiger Treiber der Nachhaltigkeit im industriellen Umfeld. Biointelligente Wertschöpfungssysteme leisten hier im Hinblick auf die essentiellen Herausforderungen der Gesellschaft einen wichtigen Beitrag.

Die biointelligente Wertschöpfung ist jedoch nicht nur nachhaltiger, sondern macht Produkte und Prozesse besser: effizienter, funktionaler, variabler, anpassungsfähiger, intelligenter, kostengünstiger und robuster.

Dr. Günther Jutz

Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM

[ Foto: INDUSTRIEcamp // Fotos: Kruppa/madiko ]

In 5 Schritten wurden verschiedene aufeinander aufbauende Gesichtspunkte diskutiert (moderiert mit Denkanstößen auf Kärtchen):

1) Gesellschaftliche und industrielle Herausforderungen (Warum?)

Gesellschaftlich:

  • Ethisch-moralische Rahmenbedingungen (Nutzen für die Menschheit)
  • Entwicklung der Arbeit (Digitalisierung, Technologisierung)
  • Bevölkerungswachstum/-entwicklung
  • Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum


Wirtschaftlich:

  • Umsetzung Kreislaufwirtschaft (Ressourcenknappheit)
  • Endlichkeit natürlicher Ressourcen
  • Dezentralisierung

2) Zukunftsszenarien

Anhand von Denkanstößen auf Kärtchen sollten Szenarien auf ihre Wahrscheinlichkeit und Eintrittshorizont diskutiert werden. Die intensive Diskussion zeigte die Breite der anwesenden Expertise, nur wenige Beispiele konnten festgehalten werden:

  • 2025: Lebende Produkte passen sich während der Nutzungsphase konstant und selbständig an die Bedürfnisse des Nutzers an.
  • 2050: Produkte und Produktion basieren vollständig auf regionalen, dezentral verfügbaren Ressourcen.
  • 2100: Eine vollständige stoffliche Kreislaufwirtschaft ist umgesetzt.
  • Uneinigkeit: Nicht das Angebot bestimmt die Nachfrage, sondern die Verfügbarkeit das Angebot.
  • Unrealistisch: Menschen müssen nicht mehr vorzeitig in Rente gehen, da ihr Job sie körperlich überbeansprucht hat.

3) Technologien

… die im Zuge der biologischen Transformation einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der skizzierten Zukunftsszenarien leisten können (mit Begründung; hier: Branchenfokus Metall und Elektro)

  • 3D-Druck; Ersatzteile, Fertigung auf Knopfdruck, Losgröße 1
  • Predictive Technologies: Medizin, Wartung, Nahrung
  • Gentechnik: Medizin, Recycling, Grundstoffherstellung
  • Frugale Innovationen
  • Biocomputing, Quantencomputing
  • Design-Funktion-Abwägung

4) Hemmnisse

Gesellschaftliche:

  • Gesellschaftliche Akzeptanz
  • Lobbyismus


Industrielle:

  • Kosten-Nutzen (Lange Entwicklungszeiten, komplexe Systeme, ROI)
  • Mangelndes technisches Verständnis, Bewusstsein

5) Forschungs- und Handlungsfelder

(konnte nur kurz behandelt werden)

  • Ethisch-philosophische Fächer
  • Kybernetik (disziplinübergreifend)


Unter anderem wurde diskutiert zu Fragen wie:

  • Was sind gesellschaftliche und industrielle Herausforderungen für die Menschheit / Gesellschaft im Allgemeinen?
  • Welche Chancen bietet die Biologisierung der Wertschöpfungskette?
  • Welchen Herausforderungen / Hemmnissen muss sich die Biologisierung stellen?
  • Welche gesellschaftlichen und ethischen Fragestellungen gilt es zu klären?
  • Welchen industriellen Herausforderungen muss sich die Biologisierung stellen?
  • Welche Technologien, Hemmnisse und Forschungsfelder tragen zur Biologisierung der Wertschöpfungskette bei?
  • Wie kann die Biologisierung der Wertschöpfungskette insbesondere in der Metallindustrie, vor allem aber auch in den Branchen Steine, Keramik, Erden, umgesetzt werden?

Die Themen konnten in der Kürze der Zeit nicht ausführlich diskutiert werden und die Diskussion musste oft zu rasch zum nächsten Aspekt gelenkt werden. Die hohe Unsicherheit bezüglich neuer, kommender Technologien führte dabei zu manchmal maximal divergierenden Ansichten.

Des Weiteren hat sich gezeigt, dass auch in der technischen Weiterentwicklung und industriellen Wertschöpfung, die im Wesentlichen noch durch technische Innovationen geprägt ist, eine höhere Interdisziplinarität gesucht werden muss, um nachhaltige Lösungen für Zukunftsprobleme zu finden.

Ideen & Lösungsansätze

Die Bioökonomie (BÖ) beschreibt die Systeminnovation als „die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen“1.

Politisch wird die Bioökonomie als „Nachhaltigkeitsinnovation“ gesehen und gefördert. Sie soll “neue, nachhaltig erzeugte Produkte und Dienstleistungen unter Einsatz von biologischen Ressourcen und Wissen hervorbringen und damit Wirtschaftswachstum mit ökologischer Verträglichkeit vereinen.”2

Quellen:
[ 1 ] Bioökonomierat 2012.
[ 2 ] EU Presidency 2007; OECD 2009; Europäische Kommission 2012.
Zinke, H., El-Chichakli, B., Dieckhoff, P. / Geschäftsstelle des Bioökonomierates (BÖR) und Wydra, S., Hüsing, B. / Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in “Bioökonomie für die Industrienation — Ausgangslage für biobasierte Innovationen in Deutschland verbessern” / Dezember 2016.

Das Forschungsprojekt BIOTRAIN der Fraunhofer-Institute fokussiert sich auf die biologische Transformation in der industriellen Wertschöpfung. Dabei werden folgende Themenfelder betrachtet:

  • Mensch
    • Arbeit und Sicherheit
    • Bildung und Qualifikation
    • Ethischer Anspruch und Akzeptanz
  • Organisation
    • Geschäftsmodelle
    • Entwicklungsfähigkeit
    • Unternehmensorganisation
  • Technologie
    • Radikale Invention
    • Nachhaltigkeit
    • Kompatibilität / Standardisierung
    • Robustheit
    • Zellularität
  • Rahmenbedingungen
    • Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten
    • Kapital- und Ressourcen-Zugang
    • Gesellschaftlicher Wille und Restriktionen

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