Franziska
Guten Tag Manfred, guten Tag Karl. Herzlich Willkommen bei EnjoyWork.
Ich hatte das Vergnügen Dich, Manfred, beim Frühjahrs-Jour-fixe der Beratergruppe Strategie kennenzulernen. Wir kamen ins Gespräch zu Humanismus und Aufklärung als Grundlage für Sinnvoll Wirtschaften. In den wenigen Minuten, die wir sprachen, war meine Neugier geweckt. Zudem schätzte ich sehr Deine pragmatischen Redebeiträge im Rahmen des zweitägigen Treffens, in dem es um innovative Honorar-Konzepte für Berater ging.
Dann las ich Euer Buch Mensch 5.0, das mich ebenfalls fasziniert. Darin beschreibt Ihr einen Weg, wie wir Menschen zu einem neuen Bewusstsein von uns selbst und unserem Wirken vorstoßen können. Der Kern dieses Bewusstseins ist ein tieferes Verständnis der menschlichen Zeit-Dynamik. Sein Nutzen liegt in einer zukunftsorientierten Unternehmens-, Mitarbeiter- und Selbstführung.
Doch bevor wir ins Thema einsteigen, eine kurze Vorstellung für diejenigen, die Euch nicht kennen:
Manfred Sieg
[ 2018-09
verun ]
Franziska
Manfred, Du bist mittelständischen Unternehmern Sparringspartner und fungierst in KMU als Managementberater. Deine Berufsausbildung begann bei Shell. Dort wurdest Du im Alter von 23 Jahren jüngster Bezirksleiter der Shell in Europa.
Doch das tägliche Feilschen um die Heizöl- und Kraftstoffpreise machte Dir keinen Spaß. So wechselste Du komplett die Branche zu IBM und studiertest berufsbegleitend Absatzwirtschaft. In verschiedenen Stationen im Vertriebsmanagement lerntest Du alle IT-Geschäftsfelder und Vertriebswege kennen.
Nach mehr als 25 Jahren Ergebnis- und Personalverantwortung im Verkauf erklärungsbedürftiger Produkte und Dienstleistungen der IT-Industrie machtest Du Dich 2006 selbstständig. Seitdem unterstützt Du Menschen dabei, mehr zu verkaufen und zu verdienen. Und das nicht über Rabatte, sondern über Werte und Wertschätzung.
Manfred
Das stimmt soweit. Mein Idealbild ist, dass meine Kunden in die höchste Liga aufsteigen und mit ihren Mitarbeitern und Kunden ein sorgenfreies Leben führen. Schon als kleiner Junge machte mir Verkaufen Spaß. Mit 13 versilberte ich meine Briefmarkensammlung und leistete mir von dem Erlös ein Fahrrad. Geld für ein Eis blieb auch noch übrig. Von da an war klar:Verkaufen ist meine Profession.
Ziel meiner Arbeit ist vor allem, dass sich meine Kunden ihrer Stärken bewusst werden. Ich helfe ihnen, sich auf lukrative Geschäftsfelder, attraktive Zielgruppen sowie die Lösung der brennenden Kundenprobleme zu konzentrieren, statt sich am Wettbewerb zu orientieren. Dabei gewinnen die Unternehmer Zeit für die wichtigen Dinge, kommen schneller zu interessanten Angeboten und steigern die Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es leichter ist, eine gute Sache teuer zu verkaufen als eine schlechte billig. Doch das ist nicht das Wichtigste. Meine Vision ist, mit Unternehmerpersönlichkeiten neues Werte-Bewusstsein zu gestalten. Die Kombination von Ökologie, Soziologie und Ökonomie halte ich für ein zukunftssicheres Konzept zur Steigerung der Wertschöpfung und Lebensqualität bei gleichzeitigem Werterhalt von Erde und Natur.
Dr. Karl Hofmann
[ 2015
Kairologisches Institut ]
Franziska
Karl, Du bist Begründer einer neuen historischen Kairologie. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern erforschst Du das geschichtliche Zeit-Maß für die Entfaltung des Menschen und strebst danach, das Wissen praktisch fruchtbar zu machen.
Geboren 1954 bei Weiden in Bayern, studiertest Du zwischen 1974 und 1983 katholische Theologie (Diplom), Geschichte und Politik in Salzburg, Freiburg im Breisgau und München. Du arbeitetest als Theologiedozent in der katholischen Kirche, zeitweise auch als Dozent an der Fachhochschule Augsburg. 2004 gründetest Du das Institut für Kairologie und entwickeltest den Studiengang Kairoswissenschaft an der Steinbeis Hochschule Berlin.
Karl
Das ist richtig. Mein wissenschaftliches Interesse galt immer schon der Frage, wie genau das historische Ganze kommuniziert mit der Entfaltung von Menschen und Gemeinschaften. Mit 32 Jahren stieß ich auf eine heiße historische Spur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen meiner Dissertation untersuchte ich sie dann näher.
Das führte zu einem ersten Modell dreier Kairos-Generationsfelder und zur Aufnahme in die International Society for the Study of Time (ISST).
Jetzt sind es schon 20 Jahre, dass ich daran arbeite – stets in enger Rückkopplung an die modernen Human- und Naturwissenschaften und in vielfältiger Überprüfung der Hypothesen des Global Human Timing System (GHTS).
Lebenserfolg
und Unternehmenserfolg
Franziska
Eine meiner wichtigsten Grundannahmen ist “Wo Überzeugung, Kompetenz und Freude am Werk sind, stellt sich der Erfolg wie von selbst ein.”
Nun interpretiert “Erfolg” jeder sehr individuell. Dies wird an Deinem Beispiel schon deutlich, Karl. Folge ich der Kairostheorie, gilt es also Erfolgsgeschichten unterschiedlich je nach Lebensphasen in Bezug auf die Ebenen Resonanz-, Selbst- und Lebensentfaltung zu definieren.
Du sensibilisierst dafür, Erfolg im Leben und Lebenserfolg zu unterscheiden. Warum? Und wozu kann es mir dienen, sich beide Seiten klar zu machen?
Karl
Was wir Erfolg nennen, hat vor allem mit der Realisierung bestimmter Wunschvorstellungen zu tun. Je mehr wir darauf fixiert sind, desto stärker erzwingen wir ihn. Und desto verzweifelter stehen wir da, wenn es schief geht. Das kann bis zum Selbstmord gehen.
Lebenserfolg hängt für mich vor allem davon ab, wie sehr ich den Entfaltungskräften, die im Kairos gebündelt sind, folge. Es gibt Zeiten, in denen Partnerschaft, Familie oder Beruf meine ganze Energie fordern dürfen und sollen. Und andere, in denen es heißt, Abstand zu nehmen, einen Schritt zurückzutreten, um Anlauf für die nächste Aufgabe auf dem Weg zur Ganz-Werdung zu nehmen.
Immer mehr geht es auch darum, den Platz zu bejahen, der einem im Größeren beschieden ist. Überlasse ich mich bewusst den Kairos-Kräften, dann kann ich Erfolg und Misserfolg von einer höheren Warte aus sehen und bejahen und als Teil meiner Entwicklung wahrnehmen.
Franziska
Zwei wichtige Grundannahmen des Humanismus sind: Menschen wollen gestalten. Sie sind aus sich selbst heraus kreative Wesen. Dabei sind wir bereit, unsere eigene Autonomie dadurch zu begrenzen, die Freiheit anderer nicht einzuschränken (siehe Charta der Menschenrechte). Weil wir in unserer menschlichen Natur soziale Wesen sind, die lieben und nach Gemeinwohl streben.
Wenn wir nicht wollen, dass Menschen in leeres Geschäftigsein fliehen und damit in eine egozentrische Konsumfalle tappen, brauchen wir also sinnstiftende Alternativen – auch und gerade in der Arbeitswelt und Wirtschaft.
Manfred, was bedeutet das in Bezug auf die Definition von Lebenserfolg? Welche Schlussfolgerungen ziehst Du daraus für Führen im unternehmerischen Kontext, sprich auch für Unternehmenserfolg?
Manfred
- Geist: Frei und selbstbestimmt sein, Hoheit über die Zeit…
- Verstand: Ziele erreichen, Probleme / Schwierigkeiten als Wegweiser zu Erfolg verstehen…
- Gefühle: Freude, Zufriedenheit, Gelassenheit, Optimismus…
- Körper / Materie: Einkommen, Buch geschrieben…
Der Lebenserfolg des Einzelnen ist mit dem Unternehmenserfolg verbunden. Wenn sich beispielsweise Leistungsbereitschaft und Fähigkeiten eines Mitarbeiters im Unternehmen nicht entfalten können / dürfen, wirken diese dann verstärkt im Privaten.
Unternehmen sind menschliche Schöpfungen. Sie werden von Menschen geführt und gelebt. Der angewandte Führungsstil und das sich daraus ergebende Organisationsklima beeinflusst gemäß verschiedener Studien zu 20-25 % das betriebswirtschaftliche Ergebnis. Oder anders formuliert: bessere Ergebnisse sind die Folge besserer Führung.
Die Kairologie ist daher nicht nur für die Selbstführung, sondern auch für die Mitarbeiter- und Unternehmensführung von unschätzbarem Wert. Die lebensphasen- und lebensereignisgerechte Führung wird für den Erhalt der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft sowie im Kampf um die Talente auf dem Personalmarkt immer wichtiger.
Lebensphasen- und lebensereignisgerechte Führung
Franziska
Mit welchen Herausforderungen haben wir es in Unternehmen zu tun? Welche Muster beobachtet Ihr und mit welchen Fragen beschäftigt Ihr Euch?
Manfred Sieg
[ 2018-09
verun ]
Manfred
Fast alle Unternehmen werden nach traditionellen betriebswirtschaftlichen Denkmustern und Methoden geführt. Zahlen und Daten dominieren das Denken. Auf Probleme wird häufig ohne richtige Ursachenanalyse reagiert und ohne herausgefunden zu haben, was die wahren Gründe für die Ursachen und Probleme sind. Viel zu wenig wird der Mensch in seiner Ganzheit als der entscheidende Kreativ- und Leistungsfaktor wahrgenommen und behandelt.
Man muss sich vor Augen führen, dass alles im Unternehmen von Menschen initiiert und ausgeführt wird. Maschinen arbeiten gemäß den von Menschen entwickelten Programmen. Maschinen haben keine eigene Kreativität, keine Empathie und Flexibilität, um nur ein paar Merkmale zu nennen, ohne die kein Unternehmen überleben kann.
Eine Schlüsselfrage ist: Wie gehen wir mit den, vor allem durch die Informations- und Kommunikationstechnologie ausgelösten und wahrscheinlich noch schnelleren, bahnbrechenden Veränderungen unserer künftigen Arbeits- und Lebenswelt um?
Ein weiter so, wie bisher, scheint ausgeschlossen. In Unternehmensnachfolge-Prozessen zeigen sich allerdings unterschiedliche Einschätzungen des technologie-getriebenen Wandels. Gemäß einer Studie der KfW tätigen Unternehmer über 50 überwiegend Ersatzinvestitionen. Während die nachrückende, jüngere Unternehmergeneration experimentierfreudiger ist und mehr in den Ausbau und die Verbesserung der Wettbewerbsposition des Unternehmens investiert.
Eine weitere Wahrnehmung ist, dass sehr viele Unternehmer und Führungskräfte zu wenig über das “System” Mensch und den Zusammenhang von Fühlen – Denken – Handeln wissen. Sie arbeiten mit Druck, statt Sog und heben das menschliche Potenzial nicht. Ursachen sind meines Erachtens fehlende Ausbildung in Mitarbeiterführung und hierarchisches Statusdenken.
Karl
60-70 % der Mitarbeiter, so verschiedene Untersuchungen1, identifizieren sich nicht mit ihrem Unternehmen, arbeiten nach Vorschrift und mit eingeschränktem Engagement. In vielen Unternehmen geht ungeheuer viel menschliche Energie verloren durch falschen Einsatz der Mitarbeiter. Man orientiert sich an vorliegenden Zeugnissen und Potenzialanalysen und rechnet das bisher Vorhandene auf die Zukunft hoch. Das ist viel zu statisch und mechanisch gedacht.
Wir dagegen setzen energetisch an. Jeder Mitarbeiter ist eine sich wandelnde Beziehungsenergie. Wir fragen also: welche Wahrscheinlichkeiten liegen bei einem 37-jährigen jetzt vor, welche in fünf Jahren? Was können wir aus bisherigen Kairos-Lebensphasen für die Gegenwart und Zukunft erschließen? In welcher Form können wir die aktuellen Kräfte freisetzen?
Kairologisch geführte Mitarbeitergespräche konzentrieren sich also nicht so sehr auf Fach- und Sachprobleme, sondern auf die Veränderung der Beziehung eines Mitarbeiters zu seiner Aufgabe, seinem Team, seinen Vorstellungen – vor dem Hintergrund eines Wissens um die Veränderung der Beziehungskräfte.
[ 1 ] u. a. jährlicher GALLUP Engagement Index oder auch DGB-Index Gute Arbeit. Weitere Studien siehe Alle Macht für Niemand – Aufbruch der Unternehmensdemokraten von Dr. Andreas Zeuch, S. 12ff.
Franziska
Damit es Menschen leichter fällt, sich für Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft zu entscheiden, habt Ihr Euer jahrelang erarbeitetes Wissen nun zu einem Buch zusammengefasst: Mensch 5.0.
Karl
Richtig, in unserem Buch Mensch 5.0 dokumentieren wir unsere Erfahrungen, Erkenntnisse und ziehen Schlussfolgerungen für die Bewältigung der gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen. Es soll ein Beitrag für eine bessere und am Menschen orientierten Selbst-, Mitarbeiter- und Unternehmensführung sein.
Manfred
Wir sind sehr daran interessiert, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die in ihren Aktivitäten und Überlegungen den ganzen Menschen in seiner jeweiligen Rolle als Initiator, Beteiligter, Betroffener oder Nutznießer von Entwicklungen einbeziehen.
Franziska
Wie kann man Euch unterstützen?
Was braucht es, damit es Euch leichter wird?
Manfred
Erfahrungsaustausch und Verknüpfung der Netzwerke wäre ein guter Einstieg. Daraus können sich Zusammenarbeit und, gemeinsame Entwicklungsprojekte ergeben.
Franziska
Sehr gern. Ihr seid uns herzlich willkommen und ich freue mich auf den weiteren Austausch.
Was wünscht Ihr der EnjoyWork-Bewegung?
Manfred
Wachstum: Mehr Menschen, die über den Tellerrand schauen, zukunftsorientierte Werte leben und sich an der am Menschen orientierten Weiterentwicklung unserer Arbeits- und Lebenswelt aktiv beteiligen.
Franziska
Vielen herzlichen Dank Euch beiden für das interessante Gespräch.
Hast Du eine Anregung
für Deine Aufgabe oder Frage gefunden?
Bitte teile diesen Artikel und werfe gern eine selbstgewählte Gabe in meinen virtuellen Hut. Auch ein kleiner Betrag macht den Unterschied!
Neugierig was mit Deinem Geld passiert?
Mit der Schwarmfinanzierung (einmalig via PayPal oder monatlich via steady)
wirst Du aktiver Teil der Bewegung und unternehmerischen Kooperative EnjoyWork. Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft.
Du unterstützt zudem freien, konstruktiven Online-Journalismus und die Moderation der Community. Es ist die Basis für mich, Franziska, Impulsgeber:innen und Vorreiter:innen rund um Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft zu portraitieren, regelmäßig mit Euch, der Community, auf Zukunftsthemen draufrumzudenken und fundiert über unsere Erkenntnisse und Praxiserfahrungen zu berichten.
Weitersagen heißt unterstützen
Ich setze mich für den freien und offenen Zugang zu Wissen ein. Dieser Artikel zahlt auf dieses Ziel ein. Teilst auch Du ihn in Deinem Netzwerk, kann er weitere Verbreitung finden. Danke für Deine Unterstützung!
Vielen Dank!
Was wirst Du als nächstes tun?
Zeit für Taten!
Ob Du noch ganz am Anfang der Transformation stehst, mittendrin bist oder schon durch und an der Weiterentwicklung Deiner Firma / Organisation arbeitest — in unserer Community findest Du Unterstützung für Deinen / Euren weiteren Weg.
Austauschen & Netzwerken
Wir bieten verschiedene Formate, um mit praktizierenden Gleichgesinnten ins Gespräch zu kommen: Ratgeber, Experten, Vorbilder und Transformationskatalysatoren. So fördern wir den interdisziplinären Erfahrungs- und Wissensaustausch.
Informieren & Inspirieren
Impulse, Fragen, Ideen, Fallbeispiele: Wer sinnvoll wirtschaften will und bereit ist, seine Firma darauf auszurichten, sucht Antworten für die alltäglichen Herausforderungen. Wir prüfen unsere Erkenntnisse an der Praxis und erforschen sie wissenschaftlich.