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Erfolg im Leben oder Lebenserfolg?

Im Gespräch mit Manfred Sieg und Dr. Karl Hofmann zu kairos

Kairos (καιρός) beschreibt den günstigsten Augenblick einer Entscheidung. Im Gegensatz zu Chronos (χρόνος), der die Lebenszeit versinnbildlicht, steht er für das Zusammenwirken aller erfolgsbestimmenden Elemente zu einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn wir den Moment “beim Schopf packen”, geht das auf das Epigramm von Poseidippos von Pella (3. Jh. v. Chr) zurück. Lassen wir ihn ungenutzt verstreichen, kann sich das nachteilig auf uns auswirken.

Was wir oft intuitiv spüren, will die Kairos-Wissenschaft begreif- und erklärbar machen. Im unternehmerischen Kontext hilft sie uns, Spannungen besser zu verstehen und aufzulösen.

Lesezeit ~ 9 min.

Foto: Kairos, griechischer Gott des günstigen Augenblicks
Franziska Köppe | madiko

Franziska

Guten Tag Manfred, guten Tag Karl. Herzlich Willkommen bei EnjoyWork.

Ich hatte das Vergnügen Dich, Manfred, beim Frühjahrs-Jour-fixe der Beratergruppe Strategie kennenzulernen. Wir kamen ins Gespräch zu Humanismus und Aufklärung als Grundlage für Sinnvoll Wirtschaften. In den wenigen Minuten, die wir sprachen, war meine Neugier geweckt. Zudem schätzte ich sehr Deine pragmatischen Redebeiträge im Rahmen des zweitägigen Treffens, in dem es um innovative Honorar-Konzepte für Berater ging.

Dann las ich Euer Buch Mensch 5.0, das mich ebenfalls fasziniert. Darin beschreibt Ihr einen Weg, wie wir Menschen zu einem neuen Bewusstsein von uns selbst und unserem Wirken vorstoßen können. Der Kern dieses Bewusstseins ist ein tieferes Verständnis der menschlichen Zeit-Dynamik. Sein Nutzen liegt in einer zukunftsorientierten Unternehmens-, Mitarbeiter- und Selbstführung.

Doch bevor wir ins Thema einsteigen, eine kurze Vorstellung für diejenigen, die Euch nicht kennen:

Manfred Sieg. Bild: copy verun

Manfred Sieg
[ 2018-09 verun ]

Franziska

Manfred, Du bist mittelständischen Unternehmern Sparringspartner und fungierst in KMU als Managementberater. Deine Berufsausbildung begann bei Shell. Dort wurdest Du im Alter von 23 Jahren jüngster Bezirksleiter der Shell in Europa.

Doch das tägliche Feilschen um die Heizöl- und Kraftstoffpreise machte Dir keinen Spaß. So wechselste Du komplett die Branche zu IBM und studiertest berufsbegleitend Absatzwirtschaft. In verschiedenen Stationen im Vertriebsmanagement lerntest Du alle IT-Geschäftsfelder und Vertriebswege kennen.

Nach mehr als 25 Jahren Ergebnis- und Personalverantwortung im Verkauf erklärungsbedürftiger Produkte und Dienstleistungen der IT-Industrie machtest Du Dich 2006 selbstständig. Seitdem unterstützt Du Menschen dabei, mehr zu verkaufen und zu verdienen. Und das nicht über Rabatte, sondern über Werte und Wertschätzung.

Manfred

Das stimmt soweit. Mein Idealbild ist, dass meine Kunden in die höchste Liga aufsteigen und mit ihren Mitarbeitern und Kunden ein sorgenfreies Leben führen. Schon als kleiner Junge machte mir Verkaufen Spaß. Mit 13 versilberte ich meine Briefmarkensammlung und leistete mir von dem Erlös ein Fahrrad. Geld für ein Eis blieb auch noch übrig. Von da an war klar:Verkaufen ist meine Profession.

Ziel meiner Arbeit ist vor allem, dass sich meine Kunden ihrer Stärken bewusst werden. Ich helfe ihnen, sich auf lukrative Geschäftsfelder, attraktive Zielgruppen sowie die Lösung der brennenden Kundenprobleme zu konzentrieren, statt sich am Wettbewerb zu orientieren. Dabei gewinnen die Unternehmer Zeit für die wichtigen Dinge, kommen schneller zu interessanten Angeboten und steigern die Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es leichter ist, eine gute Sache teuer zu verkaufen als eine schlechte billig. Doch das ist nicht das Wichtigste. Meine Vision ist, mit Unternehmerpersönlichkeiten neues Werte-Bewusstsein zu gestalten. Die Kombination von Ökologie, Soziologie und Ökonomie halte ich für ein zukunftssicheres Konzept zur Steigerung der Wertschöpfung und Lebensqualität bei gleichzeitigem Werterhalt von Erde und Natur.

Dr. Karl Hofmann. Bild: copy Kairologisches Institut

Dr. Karl Hofmann
[ 2015 Kairologisches Institut ]

Franziska

Karl, Du bist Begründer einer neuen historischen Kairologie. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern erforschst Du das geschichtliche Zeit-Maß für die Entfaltung des Menschen und strebst danach, das Wissen praktisch fruchtbar zu machen.

Geboren 1954 bei Weiden in Bayern, studiertest Du zwischen 1974 und 1983 katholische Theologie (Diplom), Geschichte und Politik in Salzburg, Freiburg im Breisgau und München. Du arbeitetest als Theologiedozent in der katholischen Kirche, zeitweise auch als Dozent an der Fachhochschule Augsburg. 2004 gründetest Du das Institut für Kairologie und entwickeltest den Studiengang Kairoswissenschaft an der Steinbeis Hochschule Berlin.

Karl

Das ist richtig. Mein wissenschaftliches Interesse galt immer schon der Frage, wie genau das historische Ganze kommuniziert mit der Entfaltung von Menschen und Gemeinschaften. Mit 32 Jahren stieß ich auf eine heiße historische Spur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen meiner Dissertation untersuchte ich sie dann näher.

Das führte zu einem ersten Modell dreier Kairos-Generationsfelder und zur Aufnahme in die International Society for the Study of Time (ISST).

Jetzt sind es schon 20 Jahre, dass ich daran arbeite – stets in enger Rückkopplung an die modernen Human- und Naturwissenschaften und in vielfältiger Überprüfung der Hypothesen des Global Human Timing System (GHTS).

Kairos — Navigation für Lebens- & Arbeitswelten

Franziska

Wie bereits einleitend beschrieben, handelt es sich bei kairos um den günstigen Moment, den es zu ergreifen gilt. Was mich an der Kairoswissenschaft fasziniert, ist der multiperspektivische Ansatz. Auf Eurer Seite beschreibt Ihr sie wie folgt:

Unsere menschliche Zeit ist mehr als ein leerer, offener Chronos-Raum und mehr als ein subjektives Zeiterleben. Sie ist gleichsam formatiert und weist eine objektive innere Dynamik auf, die im Modell inzwischen so abzubilden ist wie das Innere eines Atoms. Von dieser Welt kreativer Kräfte hängt ab, wie Menschen, Organisationen oder Unternehmen optimal in Beziehung zum Ganzen gehen können. Kairos ist die Relaisstation für diese sich ständig verändernde Beziehungskraft. In mancher Hinsicht ähnelt er einem modernen Navigator.

Die Kairologie gehört in das Fachgebiet der historischen Anthropologie. Hier steht sie zwischen einer philosophischen Anthropologie, die die zeitlos gültigen Strukturen des Menschen erforscht, und jenen Humanwissenschaften, die die reale Geschichte des Menschen auswerten. Als eine theoretische Wissenschaft verhält sie sich zu den Humanwissenschaften wie die Biogenetik zur traditionellen Biologie, die Chaostheorie zur kausal denkenden Naturwissenschaft oder die theoretische Physik zur traditionellen Experimentalphysik.

Als praktische Wissenschaft untersucht die Kairologie die historische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf ihr mögliches Optimum hin. Sie hilft dem Menschen, seine Impulse, Entscheidungen, Ziele, Grenzen, seine Berufung und seinen Weg der Entfaltung besser zu verstehen und energiebewusster seinen Weg zu gehen. Jeder Mensch genauso wie der Zeit-Geist hat sein Kairosnavi. Erstmals können wir um eine Dynamik wissen, die sich bisher nur intuitiv erfühlen ließ oder sich nur in der Form einer „Objektivität“ zeigte.

Quelle: Institut für Kairologie Einführung Kairoswissenschaften

Karl

Es fällt oft schwer, die eigenen Kräfte und Impulse richtig einzuschätzen, sich von Fremdsteuerung zu befreien, seine wahre Resonanz zu anderen zu erkennen, sich seiner Entscheidungen ausreichend gewiss zu sein. In schwierigen Zeiten fällt es schwer, die gesellschaftlichen Trends und die längerfristige Marktentwicklung einzuschätzen und damit auch, sich seiner Entscheidungen ausreichend gewiss zu sein. Auch im best-organisierten Unternehmen geht viel Energie durch Missverstehen, falschen Einsatz, Über- oder Unterforderung, unpassende Führungsstrukturen und so weiter verloren.

Mein Anliegen ist es, eine kreative Arbeitsatmosphäre in der Gegenwart und einen kreativen Ausblick auf die Zukunft zu ermöglichen. Mit dem Wissen um unseren eigenen KAIROS und den unserer Mitmenschen, können wir gelassener mit Krisen und unfruchtbaren Zeiten umgehen. Wir haben ein erfüllteres Leben. Im unternehmerischen Kontext bedeutet es, Teams anhand der Aufgaben und ihrer Stärken besser zusammenzustellen. Und letztlich als Unternehmen Zukunft erfolgreicher zu gestalten.

Franziska

Das bringt uns zu der Frage:
Was sind Lebens- und Arbeitswelten mit Zukunft für Euch?

Karl

Lebens-und Arbeitswelten mit Zukunft sind für mich solche, die eine echte Antwort haben auf die zunehmende Überforderung durch die immer autonomer funktionierende technologische Welt bei gleichzeitig wachsender menschlicher Verunsicherung. Ich spüre die Sorge: Werden die Maschinen intelligenter als wir? Was macht uns dann noch aus? Woraus ziehen wir unsere Werthaftigkeit?

Unsere Antwort ist schlicht und radikal zugleich: aus dem Kairos. Vielen ist nicht einmal der Begriff bekannt, oder sie haben nur das banale Verständnis eines plötzlich auftauchenden günstigen Augenblicks. In Wirklichkeit ist Kairos immer. Es gibt für alles eine rechte Zeit, weil es für alles eine maximale menschliche Energie gibt. Wer die Ordnung dieser Kräfte, mit sich und seiner Realität in Beziehung zu treten, wieder bewusst entdeckt, entwickelt eine neue Art von Autonomie, die allen Maschinen überlegen ist. Wir alle haben ein menschliches Navi und das ist der Kairos.

Wo das in der Wirtschaft anerkannt wird, ist zum Beispiel das Thema 28 Stunden-Woche kein Problem mehr. Es gehört kairologisch zum Rhythmus des Lebens, dass Mitte der Dreißigerjahre innerlich der Aufbau von Familie und kommunikativen Arbeitsgemeinschaften Vorrang hat vor der reinen sachlichen Effizienz. Wenn Mitarbeiter diesen Kairos leben können, werden sie später umso intensiver am Erfolg des Unternehmens mitwirken. Wie ein Rad, das sich nur sinnvoll dreht, wenn es sich der Reihe nach in alle vier Himmelsrichtungen bewegt, so hat auch ein sinnvolles Leben und Arbeiten die Aufgabe, alle Seiten des Lebens zu entfalten.

Manfred

Für mich sind es drei Aspekte:  
  • Lebens- und Arbeitswelten sind attraktiv, in denen systemisches Bewusstsein herrscht. Denn alles hängt mit allem zusammen. Eine Ursache kann ebenso mehrere Wirkungen haben, wie eine Wirkung mehrere Ursachen und eine Ursache mehrere Gründe haben kann.
  • Humanismus: Der Mensch ist Problem und Lösung zugleich und damit für „alles“ verantwortlich. Dazu gehört Wertebewusstsein, selbstverantwortliches arbeiten, mehr Zeithoheit und Flexibilität für sich, die Familie und im Beruf.
    Wir brauchen globales Bewusstsein und interkulturelle Kompetenz. Darunter verstehe ich das Zusammenleben und Arbeiten der Menschen aus verschiedenen Kulturen in gegenseitigem Respekt, Toleranz, gemeinsamen Zielen und Werten.
  • Organisationen, in denen Innovationen für Gesundheit und mehr Lebensqualität (im umfassenden Sinn) sowie den Erhalt des Planeten Erde die Basis ihrer Mission und Vision sind.

Unter dem Strich ist für mich das Zusammenspiel von Ökonomie, Soziologie und Ökologie die optimale Basis eines Geschäftsmodells.

Franziska

Nun leben wir in unsicheren Zeiten. Unser Arbeitsleben verändert sich sehr schnell, ist komplex. Entscheidungen sind vielschichtig und daher nicht mehr eineindeutig.

Wie wirkt KAIROS im unternehmerischen Kontext? Und wie können mir die Erkenntnisse der Kairoswissenschaften helfen, klügere Entscheidungen zu treffen und zu handeln?

Karl

Kairos ist für die Kairologie das Navi, das uns durch den Verkehr unseres Lebens führt. Das Navi im Auto ermöglicht uns, die Komplexität und Unübersichtlichkeit unseres Verkehrs bestmöglich entspannt, sicher und energiesparend zu bewältigen. Im richtigen Moment abzubiegen, umzukehren oder zu beschleunigen, war immer schon auch die Kunst derer, die erfolgreich waren. Viele aber wissen heute nicht mehr um ihr menschliches Navi. Ihnen muss erst erschlossen werden, dass es so etwas gibt und wie es funktioniert.

Die Kairoswissenschaft unterstützt, indem es für etwas, was bisher nur intuitiv richtig erfasst wurde, einen rationalen Zugang entdeckt und zum Modell entwickelt hat. Damit kann sie ein Bewusstsein dafür schaffen, was im Moment die klügste Entscheidung ist.

Da ist zum Beispiel jemand mit 37 Jahren äußerst erfolgreich im kommunikativen Umgang mit anderen oder im Vertrieb. Nun soll er zum Projektleiter befördert werden, um neue Vertriebsstrukturen zu entwickeln. Das ist zwar ehrenhaft, aber kairologisch zu früh, da eine typische Aufgabe der nächsten Kairos-Lebensphase. Für diese Person ist es klüger, damit etwas zu warten. Zieht es sie mit 40 Jahren dorthin, dann ist es das Richtige.

Zugleich ist zu beachten: Nicht alle, die sehr erfolgreich in Resonanz gehen können mit anderen, sind auch in der Lage, neue vernünftige Projekte zu entwickeln.

Lebenserfolg
und Unternehmenserfolg

Franziska

Eine meiner wichtigsten Grundannahmen ist “Wo Überzeugung, Kompetenz und Freude am Werk sind, stellt sich der Erfolg wie von selbst ein.”

Nun interpretiert “Erfolg” jeder sehr individuell. Dies wird an Deinem Beispiel schon deutlich, Karl. Folge ich der Kairostheorie, gilt es also Erfolgsgeschichten unterschiedlich je nach Lebensphasen in Bezug auf die Ebenen Resonanz-, Selbst- und Lebensentfaltung zu definieren.

Du sensibilisierst dafür, Erfolg im Leben und Lebenserfolg zu unterscheiden. Warum? Und wozu kann es mir dienen, sich beide Seiten klar zu machen?

Karl

Was wir Erfolg nennen, hat vor allem mit der Realisierung bestimmter Wunschvorstellungen zu tun. Je mehr wir darauf fixiert sind, desto stärker erzwingen wir ihn. Und desto verzweifelter stehen wir da, wenn es schief geht. Das kann bis zum Selbstmord gehen.

Lebenserfolg hängt für mich vor allem davon ab, wie sehr ich den Entfaltungskräften, die im Kairos gebündelt sind, folge. Es gibt Zeiten, in denen Partnerschaft, Familie oder Beruf meine ganze Energie fordern dürfen und sollen. Und andere, in denen es heißt, Abstand zu nehmen, einen Schritt zurückzutreten, um Anlauf für die nächste Aufgabe auf dem Weg zur Ganz-Werdung zu nehmen.

Immer mehr geht es auch darum, den Platz zu bejahen, der einem im Größeren beschieden ist. Überlasse ich mich bewusst den Kairos-Kräften, dann kann ich Erfolg und Misserfolg von einer höheren Warte aus sehen und bejahen und als Teil meiner Entwicklung wahrnehmen.

Franziska

Zwei wichtige Grundannahmen des Humanismus sind: Menschen wollen gestalten. Sie sind aus sich selbst heraus kreative Wesen. Dabei sind wir bereit, unsere eigene Autonomie dadurch zu begrenzen, die Freiheit anderer nicht einzuschränken (siehe Charta der Menschenrechte). Weil wir in unserer menschlichen Natur soziale Wesen sind, die lieben und nach Gemeinwohl streben.

Wenn wir nicht wollen, dass Menschen in leeres Geschäftigsein fliehen und damit in eine egozentrische Konsumfalle tappen, brauchen wir also sinnstiftende Alternativen – auch und gerade in der Arbeitswelt und Wirtschaft.

Manfred, was bedeutet das in Bezug auf die Definition von Lebenserfolg? Welche Schlussfolgerungen ziehst Du daraus für Führen im unternehmerischen Kontext, sprich auch für Unternehmenserfolg?

Manfred

Lebenserfolg verorte ich auf vier Ebenen und unterscheide zwischen materiellem und immateriellem Erfolg:
  1. Geist: Frei und selbstbestimmt sein, Hoheit über die Zeit…
  2. Verstand: Ziele erreichen, Probleme / Schwierigkeiten als Wegweiser zu Erfolg verstehen…
  3. Gefühle: Freude, Zufriedenheit, Gelassenheit, Optimismus…
  4. Körper / Materie: Einkommen, Buch geschrieben…

Der Lebenserfolg des Einzelnen ist mit dem Unternehmenserfolg verbunden. Wenn sich beispielsweise Leistungsbereitschaft und Fähigkeiten eines Mitarbeiters im Unternehmen nicht entfalten können / dürfen, wirken diese dann verstärkt im Privaten.

Unternehmen sind menschliche Schöpfungen. Sie werden von Menschen geführt und gelebt. Der angewandte Führungsstil und das sich daraus ergebende Organisationsklima beeinflusst gemäß verschiedener Studien zu 20-25 % das betriebswirtschaftliche Ergebnis. Oder anders formuliert: bessere Ergebnisse sind die Folge besserer Führung.

Die Kairologie ist daher nicht nur für die Selbstführung, sondern auch für die Mitarbeiter- und Unternehmensführung von unschätzbarem Wert. Die lebensphasen- und lebensereignisgerechte Führung wird für den Erhalt der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft sowie im Kampf um die Talente auf dem Personalmarkt immer wichtiger.

Lebensphasen- und lebensereignisgerechte Führung

Franziska

Mit welchen Herausforderungen haben wir es in Unternehmen zu tun? Welche Muster beobachtet Ihr und mit welchen Fragen beschäftigt Ihr Euch?

Manfred Sieg. Bild: copy verun

Manfred Sieg
[ 2018-09 verun ]

Manfred

Fast alle Unternehmen werden nach traditionellen betriebswirtschaftlichen Denkmustern und Methoden geführt. Zahlen und Daten dominieren das Denken. Auf Probleme wird häufig ohne richtige Ursachenanalyse reagiert und ohne herausgefunden zu haben, was die wahren Gründe für die Ursachen und Probleme sind. Viel zu wenig wird der Mensch in seiner Ganzheit als der entscheidende Kreativ- und Leistungsfaktor wahrgenommen und behandelt.

Man muss sich vor Augen führen, dass alles im Unternehmen von Menschen initiiert und ausgeführt wird. Maschinen arbeiten gemäß den von Menschen entwickelten Programmen. Maschinen haben keine eigene Kreativität, keine Empathie und Flexibilität, um nur ein paar Merkmale zu nennen, ohne die kein Unternehmen überleben kann.

Eine Schlüsselfrage ist: Wie gehen wir mit den, vor allem durch die Informations- und Kommunikationstechnologie ausgelösten und wahrscheinlich noch schnelleren, bahnbrechenden Veränderungen unserer künftigen Arbeits- und Lebenswelt um?

Ein weiter so, wie bisher, scheint ausgeschlossen. In Unternehmensnachfolge-Prozessen zeigen sich allerdings unterschiedliche Einschätzungen des technologie-getriebenen Wandels. Gemäß einer Studie der KfW tätigen Unternehmer über 50 überwiegend Ersatzinvestitionen. Während die nachrückende, jüngere Unternehmergeneration experimentierfreudiger ist und mehr in den Ausbau und die Verbesserung der Wettbewerbsposition des Unternehmens investiert.

Eine weitere Wahrnehmung ist, dass sehr viele Unternehmer und Führungskräfte zu wenig über das “System” Mensch und den Zusammenhang von Fühlen – Denken – Handeln wissen. Sie arbeiten mit Druck, statt Sog und heben das menschliche Potenzial nicht. Ursachen sind meines Erachtens fehlende Ausbildung in Mitarbeiterführung und hierarchisches Statusdenken.

Karl

60-70 % der Mitarbeiter, so verschiedene Untersuchungen1, identifizieren sich nicht mit ihrem Unternehmen, arbeiten nach Vorschrift und mit eingeschränktem Engagement. In vielen Unternehmen geht ungeheuer viel menschliche Energie verloren durch falschen Einsatz der Mitarbeiter. Man orientiert sich an vorliegenden Zeugnissen und Potenzialanalysen und rechnet das bisher Vorhandene auf die Zukunft hoch. Das ist viel zu statisch und mechanisch gedacht.

Wir dagegen setzen energetisch an. Jeder Mitarbeiter ist eine sich wandelnde Beziehungsenergie. Wir fragen also: welche Wahrscheinlichkeiten liegen bei einem 37-jährigen jetzt vor, welche in fünf Jahren? Was können wir aus bisherigen Kairos-Lebensphasen für die Gegenwart und Zukunft erschließen? In welcher Form können wir die aktuellen Kräfte freisetzen?

Kairologisch geführte Mitarbeitergespräche konzentrieren sich also nicht so sehr auf Fach- und Sachprobleme, sondern auf die Veränderung der Beziehung eines Mitarbeiters zu seiner Aufgabe, seinem Team, seinen Vorstellungen – vor dem Hintergrund eines Wissens um die Veränderung der Beziehungskräfte.

[ 1 ] u. a. jährlicher GALLUP Engagement Index oder auch DGB-Index Gute Arbeit. Weitere Studien siehe Alle Macht für Niemand – Aufbruch der Unternehmensdemokraten von Dr. Andreas Zeuch, S. 12ff.

Franziska

Damit es Menschen leichter fällt, sich für Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft zu entscheiden, habt Ihr Euer jahrelang erarbeitetes Wissen nun zu einem Buch zusammengefasst: Mensch 5.0.

Karl

Richtig, in unserem Buch Mensch 5.0 dokumentieren wir unsere Erfahrungen, Erkenntnisse und ziehen Schlussfolgerungen für die Bewältigung der gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen. Es soll ein Beitrag für eine bessere und am Menschen orientierten Selbst-, Mitarbeiter- und Unternehmensführung sein.

Manfred

Wir sind sehr daran interessiert, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die in ihren Aktivitäten und Überlegungen den ganzen Menschen in seiner jeweiligen Rolle als Initiator, Beteiligter, Betroffener oder Nutznießer von Entwicklungen einbeziehen.

Franziska

Wie kann man Euch unterstützen?
Was braucht es, damit es Euch leichter wird?

Manfred

Erfahrungsaustausch und Verknüpfung der Netzwerke wäre ein guter Einstieg. Daraus können sich Zusammenarbeit und, gemeinsame Entwicklungsprojekte ergeben.

Franziska

Sehr gern. Ihr seid uns herzlich willkommen und ich freue mich auf den weiteren Austausch.

Was wünscht Ihr der EnjoyWork-Bewegung?

Manfred

Wachstum: Mehr Menschen, die über den Tellerrand schauen, zukunftsorientierte Werte leben und sich an der am Menschen orientierten Weiterentwicklung unserer Arbeits- und Lebenswelt aktiv beteiligen.

Franziska

Vielen herzlichen Dank Euch beiden für das interessante Gespräch.

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