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Unverfügbarkeit
Ein fundiertes Plädoyer für eine Gesellschaft, die der Verfügbarkeit der Welt Grenzen setzt.
Prof. Hartmut Rosa
2018-12-12 · Residenz Verlag
Über das Buch
Es scheint sehr einfach geworden zu sein, eigene Wünsche wirklich werden zu lassen – mit ausreichend Kapital und Ressourcen, der geeigneten Technik oder auch nur einem hinreichendem Wollen. Wir sind es gewohnt, dass verfügbar ist, wonach wir uns sehnen. Idealerweise natürlich ohne (große) Anstrengung.
Die Mehrzahl der Menschen ist anspruchsvoll. Dinge müssen binnen kurzer Zeit und dauerhaft unverändert sowie unbeschränkt abrufbar sein. Dass kein Wunsch unerfüllt bleibt, daran wird akribisch gearbeitet. Uns wird suggeriert: Wenn Du Dich nur ausreichend bemühst, kannst Du alles haben und alles sein:
“Unablässig versucht der moderne Mensch, die Welt in Reichweite zu bringen: sie ökonomisch verfügbar und technisch beherrschbar, wissenschaftlich erkennbar und politisch steuerbar und zugleich subjektiv erfahrbar zu machen. Dabei droht sie uns aber stumm und fremd zu werden: Lebendigkeit entsteht aus der Akzeptanz des Unverfügbaren.” Hartmut Rosa
Das zentrale Bestreben der Moderne gilt der Vergrößerung der eigenen Reichweite, des Zugriffs auf die Welt: Diese verfügbare Welt ist jedoch – so Hartmut Rosas brisante These – eine verstummte, mit ihr gibt es keinen Dialog mehr. Das eben Erreichte wird schnell schal und verliert seinen Reiz.
Darin sieht Rosa ein sich zuspitzendes Problem. Hineingeboren in die spätmoderne Gesellschaft sind Menschen fixiert darauf, abzuarbeiten und effizient zu erledigen, was getan werden muss. Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Sie wollen die Welt beherrschen: ihre eigene, die ihrer Mitmenschen und um sie herum. Und bleiben wir nicht auf dem höchsten Stand der Zeit, fallen wir aus der Zeit und der Gesellschaft. Eine existenzielle Angst, derer wir dann mit einem weiteren Bestreben begegnen, uns ebendiese Welt Untertan, sie uns “verfügbar” zu machen.
Da aber das „Unverfügbare“ Teil einer Resonanz-Erfahrung ist, entsteht Unsicherheit. Dieser Faktor sorgt zunehmend für Probleme: Die Erwartungshaltung gegenüber Dingen und Menschen erfährt eine unverhältnismäßige Steigerung. Bleibt aus, was Werbeprospekte (oder im Zusammenhang mit Lebens- und Arbeitswelten neue Vorgehensweisen und Methoden) versprochen haben, drohen dem Anbieter oder Initiator Klagen.
Gegen diese fortschreitende Entfremdung zwischen Mensch und Welt setzt Rosa die „Resonanz“, als klingende, unberechenbare Beziehung mit einer nicht-verfügbaren Welt. Der Aspekt der Unverfügbarkeit wird essenziell dafür, dass Dinge überhaupt lebendig und interessant sind.
Zur Resonanz kommt es, wenn wir uns auf Fremdes, Irritierendes einlassen, auf all das, was sich außerhalb unserer kontrollierenden Reichweite befindet. Resonanz zeichnet sich nach Rosa durch 4 Merkmale aus:- „Berührung“ oder „Anrufung“ (etwas muss uns ergreifen, innerlich bewegen),
- darauf muss es eine Reaktion in Form einer Antwort geben (ein Schauer läuft einem über den Rücken),
- wodurch wir uns in unserem Weltverhältnis verändern (neugierig werden, wach bleiben, nicht verstummen).
- Viertens gehört laut Rosa das „Unverfügbare“ wesentlich zu einer gelingenden Resonanzerfahrung dazu, die ausbleiben kann, obwohl offensichtlich alle Bedingungen für ihr Eintreten erfüllt sind: Resonanz lässt sich weder aktiv herbeiführen noch akkumulieren.
Das Ergebnis dieses Prozesses lässt sich also nicht vorhersagen oder planen. Die Annahme, dass wir Resonanz erfahren, bekämen wir die Welt nur endlich in den „Griff“, erweist sich somit als ein Trugschluss.
„Resonanz erfordert den Verzicht auf die Kontrolle des Gegenübers und des Prozesses der Begegnung, zugleich aber auch (das Vertrauen in) die Fähigkeit, die andere Seite erreichen und responsiven Kontakt herstellen zu können.“ Hartmut Rosa.
Das Buch “Unverfügbarkeit” ist damit die Kurzversion des 800-Seiters “Resonanz”.
Weiterlesen: Stimmen zum Buch und Rezensionen
Im Band „Unverfügbarkeit“ werden die Vorträge von Helmut Rosa bei der Frühlings- und Herbstvorlesung der Akademie Graz in Kooperation mit dem Literaturhaus Graz und der Österreichischen Tageszeitung DIE PRESSE abgedruckt.
Den Aufruf an die spätmodernen lokalen und globalen Gegenwartsgesellschaften gliedert Rosa, neben der Einleitung und dem Schlusswort, in neun Kapitel:
- Die Welt als Aggressionspunkt
- Vier Dimensionen der Verfügbarkeit
- Die paradoxe Kehrseite: Das rätselhafte Zurückweichen der Welt
- Die Welt als Resonanzpunkt
- Fünf Thesen zur Verfügbarkeit der Dinge und zur Verfügbarkeit der Erfahrung“
- Verfügbarmachen oder Geschehen lassen?
- Verfügbarmachung als institutionelle Notwendigkeit
- Verfügbarkeit des Begehrens und das Begehren des Unverfügbaren
- Die Rückkehr des Unverfügbaren als Monster
Buchtitel | Unverfügbarkeit |
---|---|
Untertitel | Ein fundiertes Plädoyer für eine Gesellschaft, die der Verfügbarkeit der Welt Grenzen setzt. |
Buchreihe | Unruhe bewahren |
Autor*innen | Prof. Hartmut Rosa |
Erstveröffentlichung | 2018-12-12 |
Auflage | 1. Auflage |
Copyrights | Hartmut Rosa |
Verlag | Residenz Verlag |
ISBN Taschenbuch | 978-3701734467 |
ISBN E-Book: kindle / ASIN | B07D9JJKHT |
Anzahl Seiten | 136 |
Sprache | Deutsch |
letztes update: 01.07.2019
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Über die Urheber
Prof. Hartmut Rosa
Autor
Hartmut Rosa, geboren 1965, studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Germanistik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau und an der London School of Economics. Forschungsaufenthalte führten ihn u. a. an die Harvard University in Cambridge, Massachusetts, und die New School University in New York City.
Seit 2005 ist er Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und seit 2013 Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt. Rosa ist außerdem einer der Direktoren des DFG-Kollegs Postwachstumsgesellschaften an der Universität Jena sowie Mitherausgeber der Zeitschrift »Time and Society«.
Schwerpunkte seiner Forschung sind sowohl gegenwartsdiagnostische und modernitätstheoretische Analysen als auch Theorien der Zeitsoziologie und der sozialen Beschleunigung. 2005 erschien sein einflußreiches Buch »Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne«.
2006 erhielt Hartmut Rosa den Forschungspreis für Grundlagenforschung des Landes Thüringen. 2016 verlieh ihm das Philosophicum Lech den Tractatus-Preis für sein Werk »Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung«. 2018 wurde Rosa in Stuttgart mit dem Erich Fromm-Preis ausgezeichnet.
Stimmen zum Buch
Letztes update: 01.07.2019
Der Stoff, aus dem Unternehmergeschichten sind
Menschen zu eigenverantwortlichem, unternehmerischen Handeln zu ermächtigen bedeutet, sie ins Denken und den Austausch über Sinn zu bringen. Mit Menschen in den Dialog gehen und sie einladen, mitreden zu können, setzt voraus, dass ich eine Sprache spreche, die sie verstehen, sich gewertschätzt und lebendig fühlen. Ich diskutiere mit Dr. Karin Thier über Resonanz-Narrative für Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft. Wir beschäftigen uns mit Alternativen zum allgegenwärtigen Heldenepos und klären, warum diese Erzählformen in der Postwachstumsökonomie und für nachhaltiges, sinnvolles Wirtschaften besser geeignet sind. Und warum sie ihre “Resonanz-Narrative” auf der “Resonanz-Theorie” von Hartmut Rosa aufbaut.
2019-07-02 · Franziska Köppe | madiko
Rezensionen, Medien-Echo
und Echo aus der Blogosphäre
Neu wird an diesem Buch gegenüber seinem Resonanz-Buch nicht wirklich etwas sein (ich habe letzteres noch nicht fertig gelesen). Es scheint eher eine kurze, populäre (also ‘un’wissenschaftliche) Darstellung seiner Überlegungen zu sein. Die ist aber sehr gelungen. In zugänglicher Sprache, und doch präzise und umsichtig formuliert.
Inhaltlich finde ich das Buch sowieso ungemein spannend und wesentlich.
Für all jene, sie entweder nicht so sehr genuin akademische Texten lesen wollen (wobei auch das Buch Resonanz vergleichsweise sehr zugänglich ist!), oder einfach eine konzise, kurze Darstellung seiner Hauptgedanken haben wollen (denen das opulente Buch zur Resonanz also schlicht zu lang ist).
Gautier
Quelle: Sehr gute ‘un’wissenschaftliche Darstellung (Rezension via amazon)
Das Buch entstand im Rahmen einer Frühjahrsvorlesung zum Thema „Die Welt in Reichweite. Kritische Reflexionen zum Verhältnis von Resonanz und Verfügbarkeit“ des Literaturhauses Graz.
Schon in der Einleitung wird sehr anschaulich mit dem Beispiel eines frühen Schneefalls veranschaulicht, was wir uns untertan machen können und was nicht; was verfügbar und was unverfügbar ist. Speziell durch die im 21. Jahrhundert verstärkten „technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und durch die polit-ökonomischen Steigerungs- und Qualitätszwänge des Finanzmarktkapitals und des entfesselten Wettbewerbs“ (Seite 12) glauben wir zunehmend alles verfügbar machen zu können.
Diese Steigerungen werden nicht durch den Glauben an Lebensverbesserung, sondern durch die Angst des Verlustes des bereits Erreichten erzeugt. „Es ist nicht die Gier nach mehr, sondern die Angst vor dem Immer-weniger, die das Steigerungsspiel aufrechterhält.“ (Seite 15) Das „Mehr“ interpretiert Rosa als Reichweitenerweiterung.
Um etwas Verfügbar zu machen sind vier Elemente notwendig:- Sichtbar Machen
- Erreichbar und zugänglich machen
- Beherrschbar machen, unter Kontrolle bringen
- Nutzbarmachen
Verfügbarmachung kehrt aber – so der Autor – ins Gegenteil. Die verfügbar gemachte Welt entzieht sich uns, ja sie bedroht uns. Das Verfügbare erscheint unverfügbar.
Ein wesentliches Werk von Hartmut Rosa ist sein Buch über die Resonanz. Im Kapitel IV dieses Buches ist diese, seine Theorie sehr gut zusammengefasst. Resonanz ist ein Beziehungsmodus, der vier Merkmale hat:
1. Moment der Berührung – etwas bewegt, berührt uns
2. Moment der Selbstwirksamkeit – nach der Berührung erfolgt eine Antwort, wie etwa Gänsehaut bei schöner Musik
3. Moment der Anverwandlung – Begegnungen, die uns „zu einem anderen Menschen machen“
4. Moment der Unverfügbarkeit – etwas lässt uns kalt – berührt uns nicht
In weiteren fünf Thesen wird die Verfügbarkeit von Dingen und die Unverfügbarkeit der Erfahrung definiert und letztlich wird das Verfügbarmachen an sechs Stationen des Lebenslaufs aufgezeigt. Von der Geburt, dem Eintritt ins Leben über die Phase der Erziehung, der Lebensplanung und dem Beruf bis hin zum Alter und dem Tod.
Im Kapitel VIII wird das Begehren nach dem Unverfügbaren beschrieben und da ringt sich Rosa zu der Aussage hin, „dass es nicht nur nicht gelingt, sondern meines Erachtens auch kaum vorstellbar ist, dass künstliche Intelligenz, dass Roboter begehren können.“ (Seite 118)
„Eine komplett verfügbar gemachte Welt wäre nicht nur reizlos, sie wäre auch resonanzlos: Es gäbe in ihr nichts mehr zu begehren.“ (Seite 121)
Prof. Dr. Johann Günther
Rezension Unverfügbarkeit
Die philosophischen, soziologischen und gesellschaftspolitischen Gedankengänge von Hartmut Rosa zu den Diskrepanzen des Verfügbaren und Unverfügbaren der Selbst- und Welterkenntnis führen durch schlingernde Pfade, werden zu Stopp- und Einbahnstraßen, aber auch zu Richtungsweisern für gegenwärtiges und zukünftiges Dasein.
Es sind die Unsicherheiten und Analyse-Unbestimmtheiten, die vermuten lassen, „dass es keine festen Verbindungen zwischen Ursachen und Wirkungen gibt“, dass „die Verfügbarmachung der Welt ( ) am Ende zu einer radikalen Unverfügbarkeit zu führen (droht)“ und zu einer individuellen und lokal- und globalgesellschaftlichen Entfremdung und Unverbindlichkeit wird.
Rationalität und Emotion sind wichtige Parameter für die Erkenntnis, dass humane Lebendigkeit und Menschlichkeit aus der Akzeptanz des Unverfügbaren entstehen können (vgl. z.B. auch: Antonio Damasio Im Anfang war das Gefühl. Der biologische Ursprung menschlicher Kultur, 2017).
Die Studie endet mit einem Zwiespalt: Auf der einen Seite sind es die Hoffnungen und forcierten Erwartungen, dass die Menschheit den rettenden Resonanzboden von Rationalität, Emotionalität und Humanität findet; und andererseits die Drohkulisse, dass die Menschheit verstummt und untergeht. Wir haben die Wahl!
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Quelle: Rezension: Hartmut Rosa: Unverfügbarkeit
via SocialNet.de
Die Kernaussage von Rosa passt letztlich in ein paar Sätze. Die Aussage an sich ist auch nicht neu. Aber warum, so frage ich mich, muss Rosa in einem derart abstrakten Stil schreiben. Warum folgen auf Thesen so wenig Beispiele, die das gesagte erläutern. Seine Tendenz zur Selbstüberhöhung ist überall spürbar. Warum? Das wäre doch gar nicht notwendig gewesen.
Ein Professor sagte mir einmal: Wenn sie etwas so beschreiben können, dass es ihre Großmutter versteht, dann haben sie selbst es verstanden. Nun könnte man einwenden, dass ich, der Rezensent, über mangelnde intellektuelle Fähigkeiten verfüge. Das ist das unwahrscheinlich und diese Behauptung würde einer näheren Überprüfung wohl nicht standhalten. Nein, das ist es nicht. Ich habe auch immer geglaubt ich müsse mich in diesem wissenschaftlich-schwülstigen Schreibstil ausdrücken, damit ich selbst nicht ganz nackt dastehe und dass der andere sofort merkt: oha! Nur, wie so oft, wenn man denn genauer hinschaut entpuppt sich das Ganze als potemkinsches Dorf. Der Inhalt schrumpft auf erschreckende Weise. […]
Mir jedenfalls ist meine Zeit zu Schade sich in diese “Gehirnwindungen” einzuarbeiten. Da gefällt mir Grawe deutlich besser. Er ist zwar schwerer zu verstehen aber er hat Substanz. Ich weiß, Sie werden jetzt vielleicht gleich toben und sagen, was hat den Grawe damit zu tun? Nun, das müssen Sie selbst herausfinden.
Ich jedenfalls bedauere 20 Euro für bedrucktes Papier ausgegeben zu haben.
veritas
Aussage gut – Stil mit Luft nach oben (Am höchsten bewertete kritische Rezension via amazon)
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